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■ Nigerias Diktator Abacha spielt mit Wahlen und DekretenKunstvoller Zynismus

Nigerias Präsident Sani Abacha hat offenbar wenig zu tun. Anders läßt sich das kunstvolle Elaborat namens Kommunalwahl kaum erklären, das der Militärherrscher derzeit dem eigenen Volk und der Weltöffentlichkeit zumutet.

Bei der Wahl, deren erster Durchgang vor einer Woche stattfand, durften keine Parteien antreten, nur Einzelkandidaten, und der Wahlmodus bestand darin, daß sich die Wähler und Wählerinnen öffentlich hinter dem Kandidaten ihrer Wahl aufreihen sollten. Die solcherart Gewählten haben zudem keine weitere Befugnis, als noch einmal selber Mitglieder der noch zu gründenden Kommunalräte zu bestimmen. Diese somit indirekt gewählten Räte sollen dann in sechs Monaten wieder aufgelöst und noch einmal gewählt werden. Und nun hat Abacha per Dekret die Bürger daran erinnert, daß er das Recht hat, die so mühselig zusammengesetzten Gremien selbst aufzulösen, falls sie „inkompetent“ sein sollten – woran kaum jemand zweifelt.

In seinem Zynismus ist dieser sinnlose Reigen schon fast wieder bewundernswert. Wenn Wähler öffentlich statt geheim Delegierte wählen und die Delegierten dann geheim statt öffentlich Ratsmitglieder aussuchen, passiert natürlich keiner dieser beiden Vorgänge ohne Gegenleistung. Gerade der doppelte Wahlgang – erst Wahl von Delegierten, dann weitere Wahl von Räten durch diese Delegierten – schafft tiefgründige Geschäftsbeziehungen: Die Delegierten können später die öffentlichen Aufträge der zukünftigen Mitglieder von Gremien mit irreführenden Titeln wie Kommunal- oder Stadträte entgegennehmen, da sie ihnen ja schließlich zu ihren Posten verholfen haben. So, und nicht mit dem ungestillten Hunger nach Demokratie, erklärt sich, warum sich so viele Geschäftsleute um die Wahl als Delegierte am vergangenen Samstag drängelten.

Daß sich Präsident Abacha jetzt noch eine Art Vetorecht einräumt, ist ein der gegenwärtigen politischen Krise Nigerias entsprechender Akt des Mißtrauens. Er soll verhindern, daß sich im undurchsichtigen politisch-finanziellen Geflecht doch noch Allianzen jenseits der Regierung bilden.

All das hat einen Vorteil: Es legt die verborgenen Mechanismen offen, mit denen Nigerias Politmaschinerie funktioniert. Das Ganze ist eine Art Perpetuum mobile der politischen Gestaltung, geschmiert mit Ölgeld und gewartet mit Gewehren – und muß noch darauf hingewiesen werden, daß beides aus dem willfährigen Ausland kommt? Dominic Johnson

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