piwik no script img

Kunst gegen ÜberwachungswahnPeace-Monster sehen dich an

In der Schau "Embedded Art" in der Akademie der Künste in Berlin muss der Besucher in die Tiefe, um vom Ausbau unserer Sicherungs- und Kontrollsysteme zu erfahren.

Bewusstsein schaffen gegen übertriebenes Sicherheitsdenken. Bild: omar vulpinari

Im Namen des Volkes ergehen in den meisten demokratischen Staaten die Urteile der Gerichte. Die der Gerichtsbarkeit zugrunde liegenden Gesetze werden aber spätestens seit einer als akut verstandenen Bedrohung durch den Terrorismus im Namen der Sicherheit ausgelegt. Dass das menschliche Grundbedürfnis nach Sicherheit und Unversehrtheit dabei zunehmend prophylaktisch ausgelegt, überinterpretiert und überstrapaziert wird, ist die These der Kuratoren von "Embedded Art - Kunst im Namen der Sicherheit".

In der Akademie der Künste in Berlin haben sie eine geeignete Institution gefunden, dieses komplexe Thema anzugehen. Denn deren Hausherr, Klaus Staeck, blickt mit skeptischem Blick in die Zukunft einer diffus verunsicherten und kontrollsüchtigen Gesellschaft, die sich selbst fortschreitender Überwachung ausliefert. Nach Staecks Auffassung stehen wir erst am Beginn dieser Entwicklung. Doch Überwachung führe jedoch letztendlich stets zu einem System, das nicht mehr demokratisch ist.

Auch räumlich scheint das Akademiegebäude am Pariser Platz gleichzeitig ein nahezu perfekter Ort zu sein, an die Verteidigung des öffentlichen Raums zu appellieren. Umgeben von hermetisch abgeriegelten Botschaften und nationalen Heiligtümern befindet es sich inmitten einer totalen Sicherheitszone, in der selbst der Akademiepräsident nicht die Erlaubnis bekommt, seinen Beitrag zur Ausstellung, die auf dem Dach installiert ist, zu fotografieren. Eine Überfluggenehmigung wurde nicht erteilt. Google, mit seinen Servicediensten Maps oder Google Earth, hat es da ironischerweise leichter, mit seinem weltumspannenden Zugriff auf Satellitenfotos. Die Internetfirma mit Anspruch auf globale Informationsherrschaft ist auch Adressat der Arbeit "Off limits for Google", die Staeck in Zusammenarbeit mit dem Projekt "Remotewords" von Achim Mohné und Uta Kopp in großen Lettern montiert hat - Zutritt verweigert!

Ob Google, Myspace oder Facebook - die Bereitschaft, sich freiwillig überwachen zu lassen, ist hoch. Gegen öffentliche Überwachungskameras bietet die Künstlergruppe U.R.A./Filoart ein einfaches Infrarotgerät an, das bequem an der Kopfbedeckung befestigt die Filmaufnahmen überblendet und statt eines identifizierbaren Gesichts dort nur eine gleißende Aureole hinterlässt. Der Künstler und Hardwareentwickler Lars Vaupel will die Überwachungstechnik gleichfalls mit ihren eigenen Mitteln schlagen und hat aus Modellflugzeug-Bausätzen einen viermotorigen Minihubschrauber konstruiert. Das Fraunhofer-Institut entwickelte solche Drohnen zur Luftüberwachung, welche inzwischen schon von der Polizei zur Begleitung potenziell verdächtiger Fußballfans auf dem Weg aus dem Stadion eingesetzt werden. So kann sich jeder mit etwas Geschick eine eigene Drohne basteln. An die Aufstiegsgenehmigung der örtlichen Luftfahrtbehörde ranzukommen ist freilich schwieriger.

Alle reden von den neuen Bedrohungen. Olaf Arndt, Kurator von "Embedded Art" und Aktivist des Projekts BBM - Beobachter der Bediener von Maschinen -, nimmt mit der Ausstellung die technischen Reaktionen auf diese Gefahren ins Visier. Fliegende Kameras sind da noch vergleichsweise harmlose Technologien. Mit großer Besorgnis beobachtet er seit langem die Propaganda für "non-lethal weapons" - weniger tödliche Waffen, die ihr Opfer mit Schmerz, Betäubung, Blendung oder sonstiger Ausschaltung körperlicher Fähigkeiten zur Aufgabe zwingen. Auch hier ist das deutsche Fraunhofer-Institut beteiligt. Arndt selbst hatte sich dort als Künstler/Journalist zu Recherchezwecken sozusagen eingebettet. Eine wirklich mächtige Lobby haben diese NLWs in den USA.

Der Künstler Moritz R® porträtiert die Protagonisten dieser Szene als "Peace-Monsters". Nur zu gern würden sie etwa die Millimeterwellenkanone ADS am Feind ausprobieren. Wer in ihren auf 500 Meter genau zielenden Strahl gerät, ist nicht unbedingt tot (das Überleben ist ja das erklärte Ziel der Technologie), hat aber sogenannte Vernichtungsschmerzen erlebt, die nicht mehr aus dem Schmerzgedächtnis getilgt werden können. Die Elektroschockpistole Taser ist bereits im exekutiven Einsatz. Andrée Korpys & Markus Löffler haben zuvor eine Gruppe von Polizisten beim heroischen Selbstversuch gefilmt.

"Embedded Art" fordert den Besuchern einiges ab. Die Ausstellung wird hauptsächlich in den vier unterirdischen Tiefgeschossen der Akademie präsentiert und ist nur mit einer Führung zugänglich. Dort werden die Besucher gleich zum Objekt der Überwachung, denn der Parcours ist mit Videokameras gespickt. Schockierende Filme folgen auf in ihrer Brutalität schon normal gewordene Reportagefotos. War Rooms werden durchschritten, sonische Kriegsführung mittels Richtschall kann erlebt werden.

Dokumentiert werden die Exponate allerdings erst durch einen spröden Textkatalog und ein multimediales Informationsarchiv am Ende der Ausstellung. Gerade durch diese schwere Konsumierbarkeit erhoffen sich die Kuratoren aber ein Bewusstsein zu schaffen, Überwachungstechnologien nicht blindlings hinzunehmen. Ob es ihnen aber so gelingen kann, eine Öffentlichkeit wieder ins Gedächtnis zu rufen, die vielerorts schon fast verloren ist, bleibt fraglich.

"Embedded Art - Kunst im Namen der Sicherheit". Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin, bis 22. März, Katalog (engl.) inkl. Video-CD, argobooks/AdK, 25 €

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • OP
    Oskar Piegsa

    Interessant, Ihr Fazit:

     

    "Dokumentiert werden die Exponate allerdings erst durch einen spröden Textkatalog und ein multimediales Informationsarchiv am Ende der Ausstellung. Gerade durch diese schwere Konsumierbarkeit erhoffen sich die Kuratoren aber ein Bewusstsein zu schaffen, Überwachungstechnologien nicht blindlings hinzunehmen."

     

    Die Annahme einer Kausalität aus “schwerer Konsumierbarkeit” und “Bewusstsein schaffen” ist ja wohl ein ganz klassisches Problem der deutschen Linken. Als “schwer konsumierbar” habe ich die Ausstellung im übrigen gar nicht empfunden, nur als schwer zu verstehen. An den potenten Soundsystemen, geisterbahngruseligen Katakomben und karnevalesquen Mitarbeiter-Outfits der Ausstellung kann man sich ja durchaus erfreuen.

     

    Mehr Schmähkritik (und Erläuterung o.g. Lästereien): http://achtmilliarden.wordpress.com/2009/02/08/dinge-die-nicht-funktionieren-2-embedded-art-in-der-adk/

  • CK
    Carsten K.

    So ein Unfug! Geld am Automaten ziehen, mit dem Handy telefonieren und im Netz surfen - aber gegen Kameras im öffentlichen Raum sein! Diese 1984-Paranoia ist doch ein Anachronismus, angesichts der freiwillgen Gläsernheit. Ich bin außerdem froh, dass es solche Kameras gibt, z.B. am Bahnhof. Die aktuellen Fälle von Gewalt zeigen doch, dass dadurch viele Täter überführt werden, von denen die Opfer zivilrechtlich wenigstens Schmerzensgeld einklagen können. Ich fühle mich durch Kameras subjektiv sicherer.