: Kunst-Welt in der Wüste
Der neue Reichtum erlaubt eine internationale Orientierung. Die eigenen Traditionen bleiben bestehen. Das Bonner Kunstmuseum zeigt zeitgenössische arabische Kunst aus den Golfstaaten
AUS BONNELLEN KOLLENDER
Von „Tausend und einer Nacht“ über Kamel reitende Ölscheichs bis hin zur unterdrückten, verschleierten Frau – Klischeevorstellungen vom Orient gibt es viele. Die Ausstellung „Sprachen der Wüste“ im Bonner Kunstmuseum wagt den Perspektivwechsel. Sie setzt der westlichen Ignoranz beim Blick auf andere Kulturen die Werke zeitgenössischer arabischer Kunst entgegen und konfrontiert mit dem Fremden.
Tarek al Ghoussein ist einer der 21 Künstler aus den Golfstaaten. Auf seinem Selbstportrait steht er am Abgrund. Sein Blick tastet sich durch den Nebel auf seine Heimat Palästina. Das Portrait gehört zu einer Fotoserie, in der er sich mit dem Palästinensertuch um den Kopf auf eine endlose Reise begibt. Al Ghoussein ist ein in Kuwait geborener Palästinenser und lebt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das Tuch – in den Medien als Attribut der Gewalt stigmatisiert – wird zum Symbol für seine zwiespältige Suche nach einer nationalen Identität.
Von Orient und Okzident beeinflusst, erhalten die Kunstwerke eine eigene Identität, die fast völlig losgelöst von der Vergangenheit mit dem Jetzt konfrontiert. Auch bei Mohammed Kazem. Der aus Dubai stammende Künstler betrachtet in seiner Fotoserie „From Window“ die Welt der Extreme und Superlative in den Emiraten. Aus dem Fenster seiner Wohnung blickt er auf eine Landschaft, die nur noch wenig mit umherziehenden Nomaden und grasenden Kamelen zu tun hat. Er sieht eine Stadt im Umbruch: Verkehrsstraßen, Baustellen, Einkaufszentren – eine Symbiose aus Wüstenlandschaft und Wolkenkratzern. „Kunst ist für mich die Voraussetzung zum Träumen“, sagt Shadia Alem aus Djidda in Saudi-Arabien. Ihr Leben vereint sich auf einem riesigen Vorhang aus persönlichen Foto-Negativen. Sanft bricht der das Licht, wirkt wie ein Mosaik aus tausend Brauntönen.
Doch inwieweit sind die Ausdrucksformen noch von politischen und religiösen Grenzen ihrer Heimatländer geprägt? Dem islamischen Bilderverbot kommt hier immer noch eine wichtige Bedeutung zu. Nach dem Propheten Mohammed sollte sich der Mensch kein Bild von Gott machen, aber auch kein Bild vom Menschen, den Gott nach seinem Ebenbild geschaffen habe. Danach dürfen nur unbeseelte Wesen oder Gegenstände dargestellt werden. Pflanzen und Bäume gehören dazu, nicht aber Tiere. „Ich weiß, dass in meiner Religion die Skulptur verboten ist. Daher unterlasse ich, was verboten ist“, sagt der Videokünstler Khalil Abdul Wahid. Er glaubt, dass es Gründe für Verbote in der Religion gebe, auch wenn sie manchmal unerklärlich erscheinen: „Ich glaube, dass Einschränkungen Menschen dazu bringen, schöpferisch mit dem umzugehen, was erlaubt ist“, sagt er.
Solche Einstellungen dürfe man auf keinen Fall von unserem westlichen Standpunkt aus wertend betrachten, sagt Karin Adrian von Roques. Die Kuratorin und Islam-Expertin arbeitet seit zwei Jahren mit dem Kunsthistoriker Dieter Ronte an dem Ausstellungsprojekt. Gemeinsam sind sie durch die arabischen Länder gereist, haben Künstler und deren Ateliers besucht. Die Ausstellung soll zusammen mit Vorträgen und Konzerten auch einen Beitrag zum interkulturellen Dialog leisten und das Vorurteil eines rückständigen Orients in den Köpfen beseitigen. „Den Künstlern bietet sich damit die Gelegenheit auf dem internationalen Kunstmarkt wahrgenommen zu werden“, so von Roques.
Bis 20. November 2005Infos: 0228-776260