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Kulturpolitik in BonnDer Rausch der Zahlen

Im Bonner Kulturbetrieb wird es eng. Die Piraten bringen ein Bürgerbegehren auf den Weg, dass die Subventionen für die Oper in Frage stellt.

Die Bonner Oper wird mit 22 Millionen Euro subventioniert, das wollen die Piraten ändern. Bild: imago/Rainer Unkel

Die Bonner Oper ähnelt einer Institution unter Dauerbeschuss. Im Dezember 2010 hatte SPD-Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch bereits eine Fusion mit Köln angeregt; zwei Monate später tauchte das Thema erneut bei einer Bürgerbefragung zum Haushalt auf. Dann legte der OB, übrigens ein ehemaliger Schauspieler, nach und desavouierte damit den ab 2013 verpflichteten Intendanten Bernd Helmich.

Jetzt haut die Bonner Piraten-Partei in die gleiche Kerbe. Die Parteimitglieder Bernd Siegel, Martin Koop und Rainer Sonnabend haben ein Bürgerbegehren eingereicht, das die Subventionierung der Oper infrage stellt. Im Gespräch zweifelt Sonnabend die „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ an. Der Großteil der freiwilligen Leistungen, 28,5 Millionen Euro, fließe in den Etat der Bühnen, davon allein 22 Millionen in die Oper. „Ziel ist es, diese Mittel zu kürzen“, sagt der Pirat.

Man wolle weder Schauspiel, Oper noch das Beethoven-Orchester abschaffen, sondern die Bürger entscheiden lassen, wie hoch die Subventionen für das Musiktheater in Zukunft sein sollen.

Das eingesparte Geld könne dann in den Schuldenabbau, Sportstätten und andere Kultureinrichtungen umgeleitet werden. Die Stadtverwaltung prüft derzeit Kosten und Konsequenzen eines Bürgerentscheids, bestätigt Stephanie Zießnitz vom Presseamt. Danach müssen Piraten zunächst 9.665 Unterschriften vorlegen, damit der Antrag im Rat eingebracht werden kann. Stimmen die Parteien dort dagegen, kommt es zum Bürgerentscheid, für den ein Quorum von mindestens 23.000 Stimmen, das wären 10 Prozent der Wahlberechtigten, notwendig ist.

Das gewaltige Echo auf den Antrag hat die Piraten völlig überrascht. Ursprünglich wollte man das Bürgerbegehren erst nach Prüfung durch die Stadt der Öffentlichkeit vorstellen, sagt Klaus Benndorf vom Vorstand. Auch fehlt es der Partei an einem kulturpolitischen Konzept für Bonn, daran wird noch gearbeitet. Insofern sei der Vorschlag der Kollegen „eine Einzelmaßnahme“, gibt Benndorf zu.

Die Initiatoren, zumindest Rainer Sonnabend und Bernd Siegel, sind keine Kulturpolitiker. Die Komplexität eines Theaterbetriebs interessiert sie wenig. Sie berauschen sich an der nackten Zahl der Subvention. Schlimmer noch: Dass die Stadt Bonn derzeit unter Einbeziehung der Kulturakteure ein Kulturkonzept für die Jahre bis 2022 erarbeitet und dabei auch über Spielstättenzusammenlegung oder Mitnutzung durch die freie Szene diskutiert, ist Rainer Sonnabend unbekannt.

So verpufft letztlich, was vielleicht als nützlicher Denkanstoß gedacht war, zur undurchdachten, populistischen Maßnahme.

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12 Kommentare

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  • NE
    Noch ein Bonner

    ...und kein Pirat!

    Ja, liebe Piraten, die Produktion eines Theaterstücks oder einer Oper ist teuer. Das ist für zweidimensionale Digitalos nicht ganz nachvollziehbar. Trotzdem wäre es nützlich, sich die Unkostenliste genau anzusehen,...mich würde interssieren, wie viel für die "Verwaltung" ausgegeben wird.

    Den Posten des OBs abschaffen wäre übrigens eine bessere Idee.

    Die Korruption in Bonn aufdecken wäre eine bessere Idee.

    Die Leute vom WCCB-Skandal bezahlen (monetär) lassen wäre eine bessere Idee

    Freikarten für Kindergärten und Schulen für Theater und Oper finanzieren wäre eine bessere Idee. Kinder und Jugendliche sich an den Produktionen beteilen lassen wäre eine richtig gute Idee

    Ich schließe mich dem anderen Bonner an, Bildung und Kultur gehören nicht getrennt und wenn ihr was ändern wollt, dann ist die Bildung und die Kultur mehr als 200 Euro wert.

  • N
    Nocheiner

    Wirklich schade, daß der Artikel so inhaltsleer ist und die wichtigen Fakten in den Kommentaren nachgereicht werden müssen.

     

    Die "nackten Zahlen" sind nämlich gar nicht uninteressant, sondern ziemlich überzeugend. Es gibt da einen Topf für Kultur, der sicherlich nicht größer werden wird. Ein ziemlich großer Teil dieses Topfes wird für eine gutgestellte Randgruppe rausgehauen. Von den Subventionen kann man auch den Besuchern und Nutznießern eine Taxifahrt nach Köln und zurück sponsern und würde Geld sparen.

     

    Leider ist im Topf nicht mehr genug drin um auch andere Bevölkerungsteile mit Kultur zu versorgen. Man muß hier nur mal an die Rheinkultur denken, ein überregional wichtiges und durchaus imposantes Ereignis, daß die Infrastruktur Bonns regelmäßig überfordert hat, so viele Besucher hat es angezogen. Hier ging es eher um einen fünfstelligen Betrag, an dem es gescheitert ist.

     

    Auch die Bonner Piraten gönnen jedem Besuche Oper und Theater. Aber vielleicht sollte man die Prioritäten überdenken. Darum geht es, da braucht es nicht mal nackte Zahlen.

  • KB
    Klaus Benndorf

    Als zitiertes Vorstandsmitglied der Bonner Piratenpartei möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Sache nicht so einfach darstellt, wie sie geschildert wird. Der interessierte Leser kann sich im Artikel "Zukunftsperspektive statt Monokultur" auf unserer Webseite unter www.piratenpartei-bonn.de ein Bild davon machen, was hinter den derzeitigen Diskussionen steht.

  • B
    Bonner

    Hier fehlen entscheidende Informationen, die eigentlich zu einer guten Recherche gehören. Die Stadt Bonn ist klamm, da sie sich zusammen mit der SPK BonnKöln den Luxus geleistet hat, sich mit dem "WorldCongressCentre" (mam goutiere diese Bezeichnung) von einem Betrüger mit dem billigsten Trick der Welt über das Ohr hauen zu lassen. Ebenfalls leistet sich die Stadt Bonn teure Beraterverträge, teure Stadtkämmerer und allerlei anderen Unsinn. Der selbstverliebte OB will die Oper schließen, die Bethoven-Halle abreißen und eine Konzerthalle bauen. Also ist er nicht der Sparfuchs hier.

    Die Piraten habe so was von keine Ahnung von nichts und gar nichts---eben echte konsumgedrillte Hipster.

    Im Bonner Opernhaus werden übrigens auch Theateraufführungen (u.a. auch für Kinder) gezeigt; nicht nur Opern, die die darauf dressierten Kulturverweigerer immer als "baba pfui-elitär" abtun, was übrigens nicht der Wahrheit entspricht!

    Ebenfalls gehören sowohl Schulen, Kindergärten als AUCH Theater und Opern zu Bildungs- und Kultureinrichtungen, wer das trennt, ist absolut geistig zart begabt.

    Dabei sollten die Länder und der Bund die Gemeinden in der Finanzierung nicht allein lassen, denn wir haben kein Öl und keine Diamanten als Rohstoffe. Deutschlands einziges Gut sind international anerkannte, gut ausGEBILDETE Fachkräfte (...und ausgezeichnete Naturwissenschaftler hatten auch immer eine gute geisteswisssenschaftliche Bildung genosssen; also das eine geht ohne das andere nicht!). Desto trauriger ist die Tatsache, dass in Sachen Kultur und Bildung Deutschland BLÖD gespart wird.

  • A
    axel

    Allerüberall macht sich die vom Sparwillen durchdrungene größt-mögliche-Sparkoalition von CDU/SPD/FDP/Grünen und Piraten auf Kosten von Sozialem, Bildung und Kultur an die Arbeit.

    In Ba-Wü unter einem grünen Regierungschef sind es zigtausende gestrichene Lehrerstellen (vor der Wahl hieß einer der grünen Schwerpunkte Bildungspolitik), anderswo die Schwimmbäder, Theater, Sozialleistungen etc. die gekürzt oder gestrichen werden. Die Piraten wollen selbstverständlich im Kürzungsakt mitwirken, sind aber nur ein Teil der Kürzer und Einsparer.

     

    Dabei ist Geld zu Hauf da: Für sog. Bankenrettungsschirme werden flugs Milliarden locker gemacht - ohne große Diskussion und nur von der Linken kritisiert.

  • B
    Besorgter

    Stand nicht gestern noch eine Artikel über die geheuchelte Sorge um die Armut in der TAZ?

     

    Als theoretisch wäre ich aich auch für geringere Subvention und höhere Preise.

     

    Aus Solidarität mit Gering-Verdienern und Hartz-IV Empfängern bin ich völlig uneigenützig aber auch bereit niedrige Preise zu zahlen.

     

    Man muss halt Opfer bringen. Seufz

  • S
    Stefan

    Stimmt schon, eine gewisse technokratische, kulturferne, männlich-besserwisserische, kurz: piratische Grundhaltung kommt in dieser Sache deutlich zum tragen.

  • H
    hermeneutiker

    Verstehe diesen Satz nicht: "Das gewaltige Echo auf den Antrag hat die Piraten völlig überrascht." Fehlt im Text ein Absatz? Von welchem gewaltigem Echo ist die Rede?

  • IE
    indigene Eiche

    Hochkultur - Das Wort reicht schon aus um alle Kritiker windelweich zu prügeln und ihrer Wege zu schicken, oder?

    Ich denke eine kritische Auseinandersetzung mit etablierten "Kulturinstitutionen" ist durchaus sinnvoll. Nicht das es in anderen Städten anders wäre, aber in dieser Stadt stossen mir diese zwei Welten von Reichtum und seiner Zurschaustellung z.B. durch das kultivierte Genießen jener Hochkultur und der Armut und Aussgrenzung stets sauer auf.

     

    Aber immerhin die billigen Plätze sind ja eigentlich noch finanzierbar. Muss man nur mal auf den Kasten Stubbi verzichten...

     

    Und ja.. ich hab die Oper auch schonmal besucht, mehr als die Werkstattbühne war aber nicht drin ;)

     

    Übrigens finde ich im Artikel dieser plötzliche Umschwung von Berichterstattung auf persönliche Meinung sehr unschlüssig und natürlich herrlich suggestiv.

    Welches gewaltige Echo ist gemeint? Und warum ist der Antrag qualitativ minderwertig, wenn sich die Antragsteller nicht als renommierte Kulturpolitiker ausweisen können?

    Wie konkret jetzt auch der Masterplan 2022 der Stadt dafür sorgt, dass die Piraten n "kackdriss" veranstaltet haben, geht mir auch nicht auf..

     

    Ich warte auf Erleuchtung

  • MN
    mike notham

    Liebe Taz-Rechercheure,

     

    warum erwähnt eigentlich kein Medium, das über Bonn berichtet, die konkreten Zahlen, die zu dem Bürgerbegehren geführt haben? 300 (!) Euro Zuschuss pro verkaufter Opernkarte und dass die von euch erwähnten 22 Mio. für die Oper einem Drittel aller frei verfügbaren Mittel der Stadt entsprechen sind das Problem in Bonn.

     

    Jegliche Kulturförderung verliert ihre Legitimität, wenn parallel Schulen vergammeln, Zuschüsse für die Betreuung in Ganztagsschulen und Schwimmbäder verrotten. Das haben weder die Opernfreunde in Bonn, noch ihr verstanden.

     

    Habt Ihr mal hinter die Kulissen der 'Kulturkonzept 2022'-Aktion geschaut? Das muss kein Mensch kennen - es wurde vom Kulturdezernat inszeniert und inhaltlich dominiert. Die Pseudo-'Einbeziehung der Kulturakteure' sah so aus, dass die ihre Meinung sagen durften und danach wurde die Vorlage des Kulturdezernats nur leicht überarbeitet.

     

    Habt ihr mal auf die Homepage der Bonner Piraten, Stichwort FAQ Bürgerbegehren geschaut? Da wird u.a. auf ein Kulturkonzept verlinkt, dass u.a. offene Gespräche mit den Kulturschaffenden und die Einbeziehung der Bürger auf dem Wege des Liquid-Feedback vorsieht, bevor die Kommune etwas beschliesst - so sieht Bürgerbeteiligung aus!

  • U
    unisono

    "Hochkultur" ist wohl die Kinderarmut in einem reichem Land.

  • K
    KulturbanausInnen

    Von Hochkultur haben die betreffenden PiratInnen wohl noch nie etwas gehört, noch gesehen?

    Da kann man doch die PiratInnen glatt abwählen!