Durchs Dröhnland
: Kuhmist klingt auch klasse

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Ein selten schrecklicher Bandname: Die Vögel Europas. Immerhin hat sich Helmut Neugebauer wohl etwas dabei gedacht, denn ähnlich sperrig ist auch die Musik, die er schreibt (oder besser: entwickelt). Neugebauer verdient sein Geld vornehmlich als Saxophonist in Jazz-Standard-Kapellen. In der Freizeit zieht er durch die Lande und sammelt Geräusche und Stimmungen, mit denen er seinen Sampler füttern kann. In seinen Ergüssen, die er mit viel Technik und Band aufnimmt, könnte er keine extremere Erholung von der stupiden Wiederholung des Immergleichen finden. Da blubbert es monoton und knackt es, schwingt und groovt es, rhythmuswechselt es, daß die Ohrläppchen flattern, klaut und verhackstückt es, daß man seine Dreistigkeit nur bewundern kann. Neugebauer ist hemmungs- und respektlos, nimmt auseinander, was schon immer zusammengehörte, und bringt zusammen, was besser nie vereint worden wäre. Daß sich sowas wohl nie wird lukrativ verkaufen lassen, ist ebenso klar wie die Tatsache, daß solche Musik selbst Menschen, die meinen, schon alles gehört zu haben, neue Horizonte öffnet (jedenfalls eher als die Sparkasse).

Am 25.2. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.

Schon wieder Namenskunde: Medfield, MA sagt einem erstmal nichts, aber wer die Geschichte dieses Namens kennt, kann sich schon sehr bildlich vorstellen, wie sich die Musik der Lübecker Band anhört. Bei der Gründung im Jahr 1989 war gerade das Debütalbum von Buffalo Tom erschienen, das gefiel den vier jungen Herren so gut, daß sie sich gleich nach dem Herkunftsdorf des Bostoner Trios, eben Medfield in Massachussetts, benannten. Genau die und all die anderen Independent-Gitarren-Heroen hört man denn auch, ob sie Dinosaur Jr. oder Soul Asylum oder Cateran oder oder oder heißen. Das zeugt zwar nicht gerade von Eigenkreativität, allerdings habe ich noch nie eine solch gelungene Kopie aus deutschen Landen gehört. Frisch auf den Tisch, anderes Kopistenpack wie die Strangemen muß sich warm anziehen.

Mit Bedhead (Dallas) am 26.2. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg.

Oh, ich erinnere mich dunkel. Das goldene Zeitalter des Synthie-Pop. Sowas gibt's heute nicht mehr, dachte ich, außer vielleicht Depeche Mode. Ich habe mich offensichtlich getäuscht. Da sind z.B. Psyche, zwei verträumt guckende Jungs aus Kanada mit einem Hang zum Schmelz, der zwar kein bißchen zeitgemäß, aber höchst verführerisch klingt. Ihre Beeps sind sparsam gesetzt und bewußt maschinell und kontrastieren die dick aufgetragene Romantik der Stimme. Etwas anders DE/VISION aus Darmstadt, die sind eher der Heaven 17-Ansatz mit angeschwollenden Arrangements, die zwar ebenso offensichtlich mit ihrer Generierung spielen, aber doch den Soul in der Maschine suchen. Hach, daß ich sowas noch einmal erleben darf.

Am 27.2. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg.

Man schrieb das Jahr 1989 und mein ganz persönlicher peinlichster Lieblingssong hieß „I Don't Want A Lover“, was nicht nur etwas mit einer gewissen trotzigen Haltung meinerseits, sondern vor allem viel mit der Slidegitarre zu tun hatte, die dieses eigentlich recht belanglose Stückchen Gitarrenpop auf das wunderhübscheste verzierte. Die Band hieß und heißt noch heute Texas, stammt aber aus Schottland und hatte wohl einmal zu oft „Paris, Texas“ von Wim Wenders gesehen. Der Soundtrack von Ry Cooder erreichte auch im Norden von Britannien einen größeren Kultstatus als der Film selbst. Meister Cooder selbst spielte später dann auch einige Stücke mit Texas ein, was diese aber nicht davon abhielt, fortan fast vollständig auf die Slide-Gitarre zu verzichten. Auf der aktuellen Platte namens „Rick's Road“ kann man denn auch wie nach der sprichwörtlichen Stecknadel suchen. Was dann bleibt von Texas, ist zwar immer noch recht guter Mainstream, netter Gitarrenpop mit einer ebenso netten Sängerin, aber ganz bestimmt ist das nicht mehr dasselbe. Das gibt bestenfalls den zweiten Platz hinter Tom Petty. Und mein Problem von '89 ist auch keines mehr.

Mit Raging Slab am 28.2. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg.

Die Frage ist, ob man in den finanziellen Bereichen, um die es hier geht, das Wörtchen „Supergroup“ überhaupt benutzen kann, aber Tatsache ist, daß die ganze Sache langsam überhandnimmt. Die Breeders fallen mir da auf die Schnelle ein, die Okra All Stars auch. Scheint sowas wie eine Seuche zu sein. Kann man nur hoffen, daß dies nicht nur – wie in der Historie der populären Musik eindrucksvoll zurückzuverfolgen ist – ein Symptom für den nahenden Untergang, ein letztes Zucken von Independent (wenn es den je gegeben hat) darstellt. Aber eigentlich ja auch wurscht, solange dabei so nette Projekte wie The Setters entstehen. Die drei traten das erste Mal zusammen in Berlin bei den Independence Days auf, so nach dem Motto „Wenn wir schon mal hier sind“. Dabei waren und sind Walter Salas-Humara, Chef der Kritiker-Lieblinge The Silos; dann Alejandro Escovedo, vormals bei der legendären Kuhmist-kann-klasse-klingen-Kapelle Rank & File und True Believers, jetzt mit seinem eigenen Alejandro Escovedo Orchestra auf dem Weg nach oben; und dann noch Michael Hall, Ex- Wild Seeds und auch solo kein Unbekannter. Die drei stehen für keine Extravaganzen, kein lautes Wort, aber dafür solides bis genialisches Songwriting in puristischer amerikanischer Tradition. Entsprechend hört sich dann auch ihr nicht festes Bandprojekt The Setters an. Manchmal zwar gradezu schmerzhaft langsam, suchend nach dem letztgültigen Ton, manchmal vielleicht zu klischeehaft, aber immer sowas von souverän und der eigenen Stärke bewußt, daß man schlicht überwältigt ist.

Am 2.3. um 20.30 Uhr im Loft. Thomas Winkler