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Kürzungen, Schließungen etc.Verstehen die Welt nicht mehr

■ Rostock: Der Kunsthalle, einem Traditionsort, droht die Schließung

In der Provinz hoch oben im Norden gibt es derzeit nicht viel zu lachen. In keinem Bundesland ist die Arbeitslosenquote höher, nirgendwo anders müssen die Kommunen drastischer sparen als in Mecklenburg-Vorpommern. Da kann es schon einmal passieren, daß die Krisenmanager die Übersicht verlieren.

Nehmen wir das Beispiel Rostock: Dort haben die Senatoren der Hansestadt im vergangenen Juni beschlossen, die städtische Kunsthalle der Ausgeglichenheit des Haushaltsplans zu opfern. Ein ebenso naheliegender wie irrationaler Reflex, denn die so erzielten Einsparungen stehen in keinem Verhältnis zu dem dadurch angerichteten Schaden. Das einzige Museum für zeitgenössische Kunst im Umkreis von 250 Kilometern, das da zum 1. Oktober geschlossen werden sollte, wirtschaftet mit dem vergleichsweise lächerlich geringen Jahresetat von rund einer Million Mark – billiger geht's nicht. Ähnliche Institutionen arbeiten mit dem Dreifachen. Solcherlei Erkenntnisse fochten die Rostocker jedoch nicht an, und auch der CDU-Politiker Wolfgang Zöllick meinte, das Geld für die Kunsthalle sollte man besser direkt in die Industrie investieren. Der Mann ist der Kultursenator der Stadt.

Massive Bürgerproteste bewirkten immerhin einen Kompromiß. Annie Bardon, der Direktorin der Kunsthalle, wurde eine Gnadenfrist bis Ende des Jahres eingeräumt. Vorerst fallen „nur“ acht von 19 Stellen weg. Doch dieses Einlenken bietet nur wenig Sicherheit. Was nach dem 31. Dezember sein wird, weiß niemand.

Zu DDR-Zeiten war Rostock neben Dresden und Berlin eines der drei Kunstzentren im Land. Von 1965 an fand in der Hansestadt die Ostseebiennale statt, 1969 erstmals im eigenen Haus im Stadtteil Reutershagen. Alle zwei Jahre trafen sich Künstler vom Baltikum, aber auch aus der Bundesrepublik, Dänemark, Schweden, Norwegen und Island – für die meisten Ausstellungsbesucher die einzige Gelegenheit, Kunst kennenzulernen, die nicht von vornherein auf Verträglichkeit mit der einheimischen Kunstdoktrin ausgesucht worden war.

Darüber hinaus ist durch Ankäufe während der Biennale eine eigene Sammlung entstanden, das Museum besitzt über 500 Gemälde, 150 Skulpturen und mehr als 6.000 Graphiken. Als vor gut einem Jahr die 14. Auflage der Schau eröffnet wurde, wärmte noch einmal der Glanz der internationalen Beziehungen das vom wirtschaftlichen Niedergang und – nachdem das kleine Schwerin Landeshauptstadt geworden ist – dem Rückfall in regionale Bedeutungslosigkeit gebeutelte Rostock. Der Bruch mit der sozialistischen Tradition provozierte und spaltete die Stadt in zwei Lager: die einen reagierten begeistert, andere verstanden die Welt nicht mehr. Besonders umstritten war Raffael Rheinsbergs „Containerwall“ am Kröpeliner Tor, aber auch die übrigen Ausstellungsstücke sorgten ausgiebig für Gesprächsstoff.

Seit Annie Bardon vor zwei Jahren aus Reutlingen nach Rostock kam, bemüht sich die Direktorin der Kunsthalle, die Kontakte zu den baltischen Staaten zu halten. Gedankt wurde ihr das bislang nur halbherzig. Anfang des Jahres kürzte die Kommune den Ausstellungsetat von mageren 160.000 Mark auf völlig unzureichende 75.000, Geld für Ankäufe gibt es seit 1991 nicht mehr.

Die Stadt Rostock würde die Kunsthalle am liebsten privatisieren – was Bardon strikt ablehnt. Ihrem Vorschlag nach sollen das Haus in Zukunft der im Juni 92 gegründete Förderverein, die Stadt Rostock und das Land Mecklenburg-Vorpommern zu je einem Drittel finanzieren. In der Landeshauptstadt gibt man sich diesem Plan gegenüber zugeknöpft. Die Beratungen laufen noch, meinte lustlos eine Sprecherin des Schweriner Kultusministeriums. Und die Stadt Rostock will ihren Beitrag natürlich erst dann leisten, wenn die Beteiligung des Landes unter Dach und Fach ist. Die Million allein aufbringen? „Unmöglich“, heißt es aus Zöllicks Behörde. Die Tristesse wird kommen. Ulrich Clewing

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