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Kubas Regime fühlt sich provoziertKunstperformance mit Folgen

Aktionskunst im Rahmen der Biennale in Havanna: Kubas Regime sieht in einem Aufruf zur freien Meinungsäußerung eine "Provokation".

Gruppenbild mit Revolutionär: Polizisten vor Wandbild von Che Guevara in Havanna. Bild: dpa

"Integration und Widerstand im globalen Zeitalter" lautet das diesjährige Motto der 10. Biennale von Havanna. Das Motto des alle drei Jahre stattfindenden Kunstevents hat die international bekannte Performancekünstlerin Tania Bruguera wörtlich genommen. Sie lud die Zuschauer bei einer Performance am vergangenen Sonntagabend ein, ans Mikrofon zu treten und zu sagen, was sie wollten. Mit Uniformierten im Hintergrund und einer weißen Taube, die sich wahlweise auf die Schulter der Redner und aufs Pult setzte, parodierte Bruguera das bekannte Bild von der historischen Rede Fidel Castros am 8. Januar 1959, wenige Tage nach dem Sieg der Revolution.

Die eigene Meinung kundzutun ist kein alltägliches Angebot - und eine ganze Reihe von Kubanern wie ausländischen Gästen im Kunstzentrum Wifredo Lam machten Gebrauch von dieser Möglichkeit.

Als Erste trat Kubas international bekannte BloggerinYoani Sánchez (www.desdecuba.com/generaciony) ans Rednerpult und informierte das Publikum, darunter viele internationale Besucher, über die wachsende Blogger-Community der Insel. "Das Internet entwickelt sich in Kuba zu einem öffentlichen Platz der Diskussion, wo die Kubaner nach ihren eigenen Kriterien die reale Insel beschreiben", erklärte Sánchez. Allerdings stehe diesem Fortschritt immer noch die "überwachte Realität" auf der Insel entgegen, die es den Bloggern schwermache, ihre Seiten zu aktualisieren.

Der 34-Jährigen folgten weitere Redner, die für die freie Meinungsäußerung in Kuba eintraten, Demokratie und Freiheit einforderten und einen Wandel auf der Insel einklagten, ohne dass die Mikrofone ausgeschaltet wurden.

Für Tania Bruguera, die mit ihren eigenwilligen Arbeiten immer wieder die kubanische Realität ins Visier genommen hat, Teil ihrer Performance. Für das offizielle Kuba hingegen ein Akt von "Personen im Dienste der propagandistischen antikubanischen Maschinerie" wie am Dienstag in einer Erklärung der Veranstalter in der kubanischen Kulturzeitung La Jiribilla zu lesen war. Von einer "professionellen Dissidentin" ist dort die Rede, "die die Performance von Tania Bruguera genutzt habe, um die kubanische Revolution zu provozieren". Gemeint ist Yoani Sánchez, der zugleich unterstellt wird, im Auftrag der spanischen Mediengruppe Prisa zu agieren, weil dazu auch die Tageszeitung El País gehört, die im vergangenen Jahr einen Literaturpreis an Sánchez vergeben hatte.

Das ist eine neue Qualität verbale Angriffe gegen die Bloggerin. Sie ähneln den Anschuldigungen, die immer wieder gegen die Opposition ins Feld geführt werden und die für eine ganze Reihe von sogenannten Dissidenten im Gefängnis endeten.

Zu denen gehört auch Jorge Luis García Pérez, auch bekannt als Antúnez, der 17 Jahre wegen "verbaler feindlicher Propaganda" inhaftiert war. Seit knapp zwei Jahren ist der Dissident wieder auf freiem Fuß und derzeit ist sein Haus in der 300 Kilometer von Havanna entfernten Kleinstadt Placetas von der Polizei abgesperrt.

Seit dem 17. Februar schon sind Antúnez, seine Frau und drei weitere Männer im Hungerstreik, und laut Informationen von Amnesty International darf sich derzeit niemand dem Haus nähern. Alle fünf sind laut einer Urgent Action von Amnesty International in großer Gefahr, weil sie die Freilassung aller politischen Gefangenen in Kuba, die Ratifizierung der internationalen Menschenrechtsverträge durch das kubanische Parlament und angemessenen Wohnraum in Kuba fordern. Öffentliche Proteste häufen sich ohnehin in Kuba in den letzten Monaten. So wurden am Mittwoch zum dritten binnen weniger Monate Aktivisten der Frauenorganisation Flamur, die für eine einheitliche Währung in Kuba eintritt, vorübergehend festgenommen.

Überaus prekär ist laut dem ehemaligen politischen Gefangenen Óscar Espinosa Chepe, einem Gewerkschaftler und Journalisten, auch die Situation in den Gefängnissen der Insel. Kuba liege bei der Zahl der Inhaftierten weltweit mit den USA und Russland an der Spitze. Für Espinosa Chepe eine Folge der Kontrollwut der Regierung. Die könnte sich nun auch gegen Kubas Blogger-Comunity richten.

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2 Kommentare

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  • W
    wanja

    Traurig ist übrigens auch, dass die taz sich auf das Niveau eines billigen Propagandaschmierblattes herablässt und die Regierung von Kuba als „Regime“ bezeichnet – (was nämlich mit Sicherheit nicht in der Bedeutung gemeint ist, wie manche Soziologen z.B. auch die Internationale Telekommunikationsorganisation als Regime bezeichnen, ohne die Konnotation, es handle sich um etwas, das mit antidemokratischer Repression verbunden sei; sondern mit Sicherheit in der alltagssprachlichen Bedeutung mit eben der genannten Konnotation). Es gäbe leider zwar schon ein paar Gründe dafür - siehe meinen ersten Kommentar -, aber die Inkonsequenz, es bei anderen Regierungen zu unterlassen, die letztlich nicht besser sind, dieses ungleiche Maß macht es zu einer ideologisch verzerrten Darstellung. Regierungen, die Importe von Produkten erlauben, die de facto mit moderner Sklaverei hergestellt sind – und das ist jede mir bekannte Regierung der Welt – hat eigentlich dann schon dieses Substantiv verdient. Wenn schon kritisch, dann bitte nicht so hypokritisch!

  • W
    wanja

    Traurig, dass viele Revolutionäre/innen bis heute nicht merken, dass einer der größten Feinde der Revolution die Intoleranz gegen freie Meinungsäußerung ist.

     

    Paranoide Angst vor contrarevolutionären Angriffen ist für eine revolutionäre Gesellschaft so ungesund wie für einen menschlichen Körper eine schwere Allergie.