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Krude Thesen zum Olympia-Attentat von 1972In den Fallstricken des Antisemitismus

Ein Professor behauptet, die israelischen Opfer des Olympia-Attentats von 1972 seien freiwillig in den Tod gegangen. Der Zentralrat der Juden kritisiert die Äußerungen als "Volksverhetzung".

Ein Polizist im Trainingsanzug schirmt im September '72 den Block des Olympischen Dorfes in München ab, in dem Palästinenser israelische Sportler als Geiseln genommen haben. Bild: dpa

Heftige Kritik hat ein Wissenschaftler der Universität Göttingen auf sich gezogen. Der Direktor des Instituts für Sportwissenschaften, Arnd Krüger, hatte auf einer Tagung behauptet, die elf israelischen Sportler, die beim Olympia-Attentat 1972 in München starben, seien freiwillig in den Tod gegangen. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, nannte das "Antisemitismus pur".

Der Vortrag des Professors Arnd Krüger im Juni in Göttingen hatte sich darum gedreht, wie man die Zeitgeschichte des Sports vermitteln könne, ohne sich in den "Fallstricken des Antisemitismus zu verhaspeln" - so der Titel. Genau das war ihm aber nicht gelungen. Seine These: Die israelischen Sportler hätten sich 1972 freiwillig gemeldet und gewusst, dass die Palästinenser kommen würden und ein Attentat verüben würden.

Es habe sich um eine politische Entscheidung gehandelt, dass die Sportler zum Zeitpunkt des Anschlags überhaupt anwesend waren. In der israelischen Geschichte hätten Herrscher schon früher den Tod von Israelis in Kauf genommen, um Kriege zu rechtfertigen. Diese Meinung hatte der Wissenschaftler schon in einem Göttinger Hochschulmagazin zu Semesterbeginn vertreten.

Der stellvertretende israelische Botschafter, Ilan Mor, kritisierte die Äußerungen Krügers scharf. "Das ist eine der schlimmsten Formen der Dehumanisierung des Staates Israel und eine Form des neu aufflackernden Antisemitismus, verpackt als Israel-Kritik", sagte der Diplomat. Auch der Vizepräsident des Zentralrats der Juden Dieter Graumann bezeichnete die Thesen als "Volksverhetzung". Er forderte Konsequenzen von der Leitung der Universität Göttingen. Deren Beschwichtigungsversuche seien "mindestens ebenso skandalös wie Krügers Aussagen selbst", sagte Graumann.

Die Göttinger Universität verteidigte sich gegen den Vorwurf des Antisemitismus. "Die Universität ist stolz auf ihre langjährige, fruchtbare Zusammenarbeit mit israelischen Forschern und Universitäten", sagte der Präsident Kurt von Figura. Das Präsidium distanziere sich entschieden von allen Äußerungen rassistischen und antisemitischen Inhalts und werde "klare Zeichen gegen Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus zu setzen."

Klare Zeichen sollen zunächst durch eine Ombudskommission geschaffen werden. Sie soll prüfen, ob durch Krügers Thesen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis verletzt worden seien. Je nach Ergebnis werde die Universität einen angemessenen Weg einschlagen, sagte die Uni-Pressesprecherin Marietta Fuhrmann-Koch. Dabei kämen auch strafrechtliche und arbeitsrechtliche Schritte in Betracht.

Sportwissenschaftler Arnd Krüger sind nun die Ausmaße seiner Thesen wohl doch bewusst geworden. Er habe gehofft, ein kulturhistorisches Phänomen erklären zu können, und "nicht beabsichtigt, hiermit irgendjemanden zu diskreditieren", sagte Krüger.

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8 Kommentare

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  • JH
    Jörg Hecker

    Diese "bösen Juden" sind so böse, dass sie sich selbst absichtlich bei den olympischen Spielen umbringen lassen um die Deutschen in Mißkredit zu bringen.

     

    Der Schreiber sollte demnächst in eine Nervenheilanstalt aufgenommen werden.

     

    Mit vielen lieben Grüssen,

     

    Jörg Hecker

  • B
    Bhikkhu

    Eine wilde These, allerdings. Aber warum ist es antisemitisch, wenn über Praktiken einer Staatsführung theoretisiert wird?

     

    Absurd. Mit dem ständigen Vermischen von Antisemitismus und Israel-Kritik schneiden sich die Kritiker ins eigene Fleisch.

  • M
    Misericordia

    Da hat Herr Witt volkommen recht. Mit der falschen Verwendung des Begriffs Antisemitismus (was ja eine rassistische Betrachtung ist) fällen wir falsche Urteile.

    Richtigerweise muss hier, wenn man so will (denn auch das wäre stark überzogen) von Antizionismus sprechen.

    Das mag Haarspalterei gleichen, aber will man im gleichen Zug der RAF Antisemitismus vorhalten. Ich denke nicht.

    Schade, dass diesbezüglich in dem Artikel nicht hinreichend differenziert wird, denn der inflationäre Gebrauch des Antisemitismusvorwurfs bewirkt seine gleichzeitige Herabwertung!

     

    schöne Grüße

    Ehrhardt

  • MB
    Michael Bolz

    Ob die israeilischen Sportler freiwillig in den Tod gegangen sind - oder nicht - sei dahingestellt, wer weiß, was der Mossad wusste, die Regierung usw. Da werden Überlegungen und Ideen zu reinen HypoHypothesen. Wenn der Herr Professor dass ganze also als These für einen Erklärungsversuch ansieht - warum nicht? Würde mich interessieren, wie er die These belegen will. Ich verstehe aber auch nicht, was daran Volksverhetzung ist. Es klingt vielmehr, als hätte der gute Mann seinen Crichton gefressen. Da könnten die Amerikaner auch sagen, die Vorwürfe gegen die Gefangenenbehandlung in Guantanamo durch Kurnaz wären Anti-Amerikanisch, Volksverhetzung.

  • D
    Domas

    Hallo und Guten Morgen,

     

    Deutschland windet sich in Reflexen. Waren es einst Walser und Bubitz oder die dumpfen Tiraden über Warschau und Brandt, so wird diese Diskussion den Rassismus in Deutschland weiter vorantreiben.

    Ein dummes Spiel wird mit den Massen getrieben, wenn es um Vergangenheitsbewältigung und Gegenwartsrealismus geht. Tatsächlich war der Mossad längst über die Absichten nicht nur von deutscher Seite, sondern vorallem durch eigene Erkenntnisse ausreichend gewarnt und hatte diese Warnung auch weitergegeben. Ob jeder einzelne Sportler gewarnt war, bleibt fraglich. Die Thesen werden aus dem Kontext gerissen und hier geht es nicht um Antisemitismus. In Russland wurde ein fürchterlicher Antisemitismus Mitte bis Ende des 19.Jhd. betrieben und Polen war in Galizien Exportweltmeister.

    Die Begründung des isrealischen Staates erfolgte aufgrund dieser Einwanderer und sie waren keine Einwanderer sondern abgesprochene Politik der europäischen Nationen. Später als Uganda nicht mehr gut genug war und man in Konzentrationslagern auf Malta tausende ehemalige jüdische Flüchtlinge verrecken ließ, packte man die Balfour-Akte aus und gab grünes Licht für eine militante Einwanderung. Dabei haben ehemalige Nazischergen tatkräftig mitgeholfen. Und Mr. Dulles wußte durch die Wissensträger des Reichssicherheitshauptamtes sehr gut Bescheid.

    Es ist also eine Diffamierung und bösartige Konstruktion Menschen nicht darüber sinieren zu lassen, welche Motive Israel hatte, diesen GAU zu riskieren. Laßt Fakten sprechen!

  • N
    nedlak

    es wäre doch interessant wie er zu den thesen kommt die vertritt. der antisemitismusvorwurf íst doch langweilig- wirklich abgenutzt- da funktionalisiert, oder?

  • UW
    Ulrich Walczak

    Manchmal habe ich den Eindruck der Schwanz wedelt mit dem Hund...

  • CW
    c. witt

    es bleibt dem geneigten leser verschlossen, was in diesem sinne "antisemitisch" sein soll. das wird auch aus dem artikel nicht klar. "antisemitismus" ist gänzlich etwas anderes. der begriff wird leider gnadenlos missbraucht. und wir wissen auch, dass "volksverhetzung" ebenso etwas anderes ist.

     

    ja, was wäre denn, wenn es so wäre, dass auch nur einer seinen tod "in kauf genommen hätte"? eines nicht: antisemitisch. nicht einmal wirklich israel"kritisch".

     

    der ganze fall bewirkt wieder einmal mehr, dass sich die kritikanten selbst ins schiefe licht setzen.