Kritische Journalisten in Sri Lanka unerwünscht: Arbeiten in Angst
Der Bürgerkrieg in Sri Lanka ist vorbei, doch die kritische Presse wird weiterhin bedroht. 15 Journalisten wurden seit 2006 ermordet, 15 weitere entführt oder festgenommen.
Als die tamilische Journalistin Krishni Ifham wie jeden Morgen ihr Wohnhaus in einem Vorort von Sri Lankas Hauptstadt Colombo verlässt, wartet eine Gruppe Männer auf sie. Sie seien Polizisten, erklären sie, und fordern Ifham auf, in einen weißen Lieferwagen zu steigen.
Dann verbinden sie ihr die Augen, fahren los und verhören die Frau: Hat sie für ausländische Medien gearbeitet? Wieso äußert sie sich in ihren Artikeln kritisch über die Regierung? Nach einigen Stunden nehmen die Männer Ifham bis auf einen geringen Geldbetrag alle Habseligkeiten ab und lassen sie in der zentral-srilankischen Stadt Kandy frei. Sie soll aufhören, als Journalistin zu arbeiten, sagen sie ihr noch.
Ifham hat Glück gehabt: Sie ist bei dem Vorfall in der vergangenen Woche glimpflich davongekommen. Mindestens 15 Kollegen haben seit 2006 mit dem Leben dafür bezahlt, dass sie kritisch über die Regierung von Präsident Rajapakse oder ihren Krieg gegen die Rebellen der "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) berichtet haben. 15 weitere wurden festgenommen oder entführt. Anfang Januar töteten Unbekannte den Journalisten Lasantha Wickrematunge. Sie hielten ihn auf offener Straße in seinem Auto an und prügelten mit Nagellatten auf ihn ein, wenig später starb er. Der Angriff geschah in einem Hochsicherheitsbereich in der Nähe des Regionalflughafens. Dennoch fehlt der Polizei angeblich bis heute jede Spur.
Und auch nach dem Sieg der Regierungstruppen gegen die LTTE Mitte Mai verbesserte sich die Lage der Journalisten nicht. Ende vergangener Woche wurde auf der Jaffna-Halbinsel im Norden des Landes die tamilischsprachige Tageszeitung Udaya angegriffen, nachdem sie zuvor mehrere Drohungen erhalten hatte. Am Freitagmorgen hielten Unbekannte mehrere Lieferwagen auf, die gerade die aktuelle Ausgabe der Udaya zu den Verkaufsständen transportierten, und verbrannten 10.000 Zeitungen. In diesem August sollen in Jaffna und allen anderen ehemaligen Rebellengebieten Kommunalwahlen abgehalten werden.
Das US-amerikanische Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) sieht Sri Lanka mittlerweile auf Platz vier in der Liste der Länder mit der geringsten Pressefreiheit. Elf Journalisten hätten in den letzten zwölf Monaten aus Angst vor Angriffen das Land verlassen. "Sri Lanka verliert aufgrund von unkontrollierter Gewalt seine besten Journalisten", so CPJ-Leiter Joel Simon.
Die Unterdrückung der Meinungsfreiheit betrifft nicht nur Journalisten. Vorige Woche nahm die Polizei den landesweit bekannten Astrologen Chandrasiri Bandara fest. Er hatte auf einem Treffen der Opposition den Sturz der Regierung im September vorausgesagt. Die Menschen in Sri Lanka nehmen solche Vorhersagen sehr ernst.
Auch die offenen Repressalien der Regierung nehmen weiter zu. Vor wenigen Tagen wurde der staatliche "Presserat" reaktiviert. Das Gremium, das ursprünglich Beschwerden gegen unlautere Berichterstattung nachgehen sollte, wurde 2002 einvernehmlich durch eine Selbstkontrolle der Medien ersetzt. Der Rat hat nun die Befugnisse eines Amtsgerichts und kann bis zu zwei Jahre Haft gegen Journalisten verhängen, die sich nach seiner Meinung falsch verhalten haben. Sri Lankas Journalisten haben angekündigt, dagegen zu protestieren.
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