Kritik an neuem Strafvollzugsgesetz: Arbeitszwang bleibt
Das Justizressort legt einen Entwurf für ein neues Landes-Strafvollzugsgesetz vor und hält dabei am Arbeitszwang für Gefangene fest.
Wenn sich der Grad der Zivilisation einer Gesellschaft am Umgang mit ihren Gefangenen misst, dann ist das Strafvollzugsgesetz der Ort, an dem sich die politische Rechtsauffassung des Landes niederschlägt. Als 1977 das erste Strafvollzugsgesetz in Deutschland in Kraft trat, galt das als politischer Fortschritt. Das Gesetz regelte, wann wer im Knast besucht werden darf, wie und ob die Post gelesen und wann auf Gefangene weiterer Zwang ausgeübt werden darf. Davor war das Gefängnis „ein rechtsfreier Raum“, sagt der Bremer Rechtssoziologe Johannes Feest.
Mit der Föderalismus-Reform ist 2006 die Gesetzgebungskompetenz an die Länder übergegangen. Beim Jugendstrafvollzug, der Untersuchungshaft und für die Sicherungsverwahrung schuf Bremen bereits neue Gesetze. Vor ein paar Tagen hat das Justizressort nun einen ersten Entwurf für ein Landes-Strafvollzugsgesetz vorgelegt. Nach Ende der Abstimmungsphase könnte es 2015 in Kraft treten. Konkrete Auswirkungen hätte das Gesetz für die maximal 725 Gefangenen, für die Bremen Platz hat.
Grundsätzlich hält sich Bremen an den Musterentwurf einer gemeinsamen Länderarbeitsgruppe, der seit 2011 vorliegt. Bremen hat daran mit Berlin, Brandenburg, Sachsen und sechs weiteren Ländern gearbeitet. Und: „Wenn man Strafvollzug mag, ist der Musterentwurf eine gute Sache“, so Feest. Daher kritisiert er die Bremer Vorlage an eben den Punkten, an denen sie vom gemeinsamen Länder-Entwurf abweicht: bei der Arbeitspflicht und beim Hafturlaub.
Anders als im Musterentwurf hält Bremen am Arbeitszwang fest: „Wir sind der Auffassung, dass Arbeit von ganz herausragender Bedeutung für die Erreichung des Vollzugsziels und der Resozialisierung ist“, erklärt Thomas Ehmke, Sprecher des Justizressorts. Daher müsse man einen Gefangenen dazu verpflichten können – eine Sicht, die Gabi Piontkowski, rechtspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, teilt: „Nur durch Arbeit können die Menschen wieder in die Gesellschaft integriert werden“, sagt sie. Nur wenn Arbeitspflicht bestehe, müsse die Anstalt auch Plätze dafür vorhalten.
Arbeitspflicht nicht mehr zeitgemäß
Für Helmut Pollähne hingegen, Rechtswissenschaftler der Uni Bremen, ist die Arbeitspflicht nicht mehr zeitgemäß. „Die Entscheidung muss dem Gefangenen überlassen werden“ sagt er. Alles andere sei eine Überlagerung, die nicht legitim ist: „Das Gefängnis ist keine Fürsorgebehörde, sondern man ist dort zunächst zur Strafe eingesperrt.“ Ohnehin gehe es meist um stumpfsinnige Beschäftigung. Nach der Haft würden die Gefangenen dann wieder in die Arbeitslosigkeit geschickt. „Das hat etwas Absurdes“, so Pollähne.
Auch beim Hafturlaub geht Bremen eigene Wege: Für Langzeit-Gefangene soll der weiterhin erst nach zehn Jahren überhaupt in Betracht kommen. Der Musterentwurf hatte diese Möglichkeit bereits nach fünf Jahren Strafe vorgesehen. „Straftäter dürfen nicht vollständig von der Außenwelt isoliert werden“, argumentierte dereinst Brandenburgs ehemaliger Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke). Bremens Justizsprecher Ehmke erklärt hingegen: „Die Flucht und Missbrauchsgefahr ist zu hoch, wenn der überwiegende Teil der Strafe noch vor dem Gefangenen liegt.“
Weniger kontrovers werden wohl die Änderungen, die erst mit dem neuen Gesetz möglich werden: Etwa die Nutzung des Internets, die, beschränkt aus Gründen der Sicherheit, auch auf den Zellen juristisch geklärt sein wird.
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