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Kritik an Haushaltspolitik

■ SPD–Finanzexperte hält Bundesregierung konjunkturpolitisches Versagen vor Stoltenberg sei unseriöser Haushalter / Neuverschuldung wird überdurchschnittlich ansteigen

Bonn (dpa/ap) - Der am 27. November 1987 vom Bundestag verabschiedete Haushalt 1988 entpuppt sich nach Meinung der Sozialdemokraten heute als ein Märchenbuch. Der Finanzexperte der SPD–Bundestagsfraktion, Dieter Spöri, sagte am Mittwoch in Bonn, Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg (CDU) habe eine „unglaublich unseriöse Haushaltspolitik“ betrieben. Die Bundesregierung gehe wirtschaftspolitisch zerstritten, konzeptionslos und handlungsunfähig ins neue Jahr. Das Finanzministerium wollte auch am Mittwoch zu den neuen Daten keine Stellung nehmen. Stoltenberg will dazu am Donnerstag vor die Presse treten. Zuvor will sich das Bundeskabinett mit der Wirtschafts– und Finanzpolitik beschäftigen. Nach Überzeugung Spöris wird die Neuverschuldung in diesem Jahr deutlich über 40 Milliarden Mark ansteigen. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU– Fraktion, Manfred Carstens, hatte am Dienstag eine Steigerung der Neuverschuldung von den im Haushalt angesetzten 29,5 Milliarden auf annähernd 40 Milliarden für möglich gehalten. Die Rekordverschuldung kommt nach Rechnung Spöris zusammen, weil der eingeplante Bundesbankgewinn von sechs Milliarden Mark entfallen werde, für die EG–Finanzierung weitere drei Milliarden nötig würden, die steigende Arbeitslosigkeit 1,5 Milliarden Mark für die Nürnberger Bundesanstalt erfordere und der Staat außerdem mindestens zwei Milliarden Mark Steuerausfälle wegen des geringeren Wirtschaftswachstums hinnehmen müsse. Spöri sagte weiter, Bangemann und Stoltenberg seien auch mitverantwortlich für den bruchartigen Verfall des Dollar. Die seit dem sogenannten Plaza–Abkommen im September 1985 mehrfach „beschworene“ internationale Zusammenarbeit zur Stabilisierung der Wechselkurse und zum Abbau der weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte sei vor allem deshalb bis heute nicht zustande gekommen, weil die Bundesregierung sich seit Jahren weigere, „ihre konjunkturpolitischen Hausaufgaben zu machen“. Sie habe keine überzeugendes Konzept zur Stärkung der Binnennachfrage. Die Steuersenkungen in diesem Jahr seien konjunkturpolitisch wirkungslos. Angesichts der steigenden Beiträge für die Sozialversicherung würde die Steuersenkung für viele Arbeitnehmer zum „Minusgeschäft“. Auch der Vorsitzende der CDU/CSU–Bundestagsfraktion, Alfred Dregger, rechnet für dieses Jahr mit Einnahmeausfällen und einer erheblichen Neuverschuldung. Dregger nannte es aber entscheidend, daß die Neuverschuldung nicht durch Ausgabenerhöhungen verursacht werde. Der „große Vorteil“ steigender Defizite durch Einnahmeausfälle liege darin, daß man Ausgabenerhöhungen kaum noch bremsen oder rückgängig machen könne.

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