: Kritik an Berliner Justiz
■ Die Entscheidung, nicht mehr gegen Richter am Volksgerichtshof zu ermitteln, stößt in Ost - und Westberlin auf Kritik
Berlin (dpa) - Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die Ermittlungsakten über ehemalige Mitglieder des Volksgerichtshofes endgültig zu schließen, ist am Donnerstag in Ost– und West–Berlin kritisiert worden. Der stellvertretende Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Alexander Longolius (SPD), nannte es zu Beginn einer Parlamentssitzung einen Skandal, daß sich die Justiz mit der klaren Ablehnung aller Urteile aus der NS–Zeit so schwer tue und daß die Ermittlungen gegen die Richter und Staatsanwälte am Volksgerichtshof jetzt eingestellt wurden. Kein dem Grundgesetz verpflichteter Richter und Staatsanwalt habe das Recht, die konsequente und rechtzeitige Verfolgung der Mörder von über 5 000 Menschen zu verweigern. Dadurch werde das Ansehen der Bundesrepublik beschädigt und die Opfer noch nachträglich verhöhnt. Die AL–Fraktion hatte gefordert, zu Beginn der Parlamentssitzung eine Gedenkminute für die Opfer des Volksgerichtshofes einzulegen. Dies war vom amtierenden Präsidenten jedoch abgelehnt worden. Die Generalstaatsanwaltschaft der DDR meinte, in der Begründung, vielen Tätern seien niedrige Beweggründe bei der Mitwirkung an Terrorurteilen nicht nachzuweisen, liege eine „nachträgliche Rechtfertigung der von den Angehörigen des Volksgerichtshofes begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. In einem von Ost–Berliner Zeitungen zitierten Interview sagte Staatsanwalt Günther Wieland, die West–Berliner Justiz sei „keineswegs an Beweisnot, sondern ausschließlich an mangelndem Willen zur Verfolgung“ gescheitert. Gastkommentar auf Seite 4
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