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Krisenstimmung auf KubaCastro legt den Rückwärtsgang ein

Der Staatschef erteilt einer Abkehr vom Sozialismus eine klare Absage. Ein geplanter Parteikongress soll 2009 nicht mehr stattfinden. Alle Hoffnungen auf Wandel sind damit gedämpft.

Sandwichverkäufer in Havanna. Bild: ap

BERLIN taz | "Ich wurde nicht zum Präsidenten gewählt, um in Kuba den Kapitalismus wiederherzustellen", betonte Kubas Staatschef Raúl Castro am Samstag in seiner Rede vor dem kubanischen Parlament. "Ich wurde gewählt, um den Sozialismus zu verteidigen, zu erhalten und zu perfektionieren, nicht um ihn zu zerstören", fuhr der 78-jährige Staatschef fort.

Das waren klare Sätze an die Adresse der USA, die in Person von Außenministerin Hillary Clinton "fundamentale Änderungen" als Voraussetzung für den Dialog zwischen beiden Ländern eingefordert hatte. "Wir sind bereit, über alles zu reden, aber unser politisches und soziales System steht nicht zur Debatte", bekräftigte der jüngere Bruder und Nachfolger von Fidel Castro unter dem tosenden Beifall der Abgeordneten der kubanischen Nationalversammlung.

Gleichzeitig bescheinigte er den USA, Fortschritte im Umgang mit Kuba gemacht zu haben. So trete die Administration weniger aggressiv auf und habe auch ihre antikubanische Rhetorik abgeschwächt, so Castro. Zwar seien die von US-Präsident Barack Obama verabschiedeten Maßnahmen positiv, aber nur minimal, denn schließlich sei das Handelsembargo weiter in Kraft, kritisierte Kubas Staatschef.

Doch es ist weniger das Verhältnis zum großen Nachbarn im Norden, das Raúl Castro die größten Sorgen machen dürfte, als vielemehr die schwierige ökonomische Situation der Insel. So wurde die Wachstumsprognose für 2009 zum zweiten Mal nach unten korrigiert. Von ursprünglich sechs Prozent über 2,5 auf nun 1,7 Prozent. Die Quote könnte noch weiter sinken, denn die Nachfrage nach Nickel - Kubas wichtigste Exportprodukt - ist relativ schwach und auch beim Tourismus sind die Einnahmen rückläufig.

Doch der Devisenbedarf der Regierung in Havanna ist ausgesprochen hoch, da die Folgen der drei Hurrikane, die im letzten Jahr über die Insel fegten, noch lange nicht überwunden sind. Jüngst bewilligte Kredite aus Russland helfen der Regierung dabei zwar aus der kurzfristigen finanziellen Bredouille, doch unter Kubas Wirtschaftswissenschaftlern ist unstrittig, dass neue ökonomische Leitlinien benötigt werden.

Die sollten auf dem mit Spannung erwarteten VI. Kongress der kommunistischen Partei Kubas (PCC) im Herbst debattiert und beschlossen werden, so Omar Everleny Pérez, Ökonom am Forschungsinstitut der kubanischen Wirtschaft (CEEC). Doch nach einer Krisensitzung des Zentralkomitees der kommunistischen Partei wurde der Parteitag am Samstag abgesagt. Eine schlichte PCC-Konferenz solle nun zumindest die Personalfragen klären bis die ökonomische Situation ausreichend analysiert sei.

Für die Bevölkerung, die auf Reformen warte, ist das genauso eine Enttäuschung wie der neuerliche Sparappell Raúl Castros, erklärte der international bekannte chrsitdemokratische Oppositionelle Oswaldo Payá. Sein Kollege Manuel Cuesta Morúa, ein Sozialdemokrat, attestiert der Regierung hingegen, dass sie die politisch-ökonomischen Verhältnisse auf der Insel einfriere.

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5 Kommentare

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  • E
    elnegropaul

    Die Kommentatoren vergessen die 8-10 verschiedenen Geheimdienste, die Blockwart/Spitzel-Dienste, die massive Polizei ( Jugendliche erhalten einen 6 Monatskurs -> Polizeiuniform-> und doppelt bis dreifach soviel Gehalt wie der Durchschnittslehrer), die Autoflotten des Castro-Clubs, usw. all dies muss bezahlt werden. Das Militär ebenso - und fast alle Ministerien sind mit alten Methusalemgeneräle besetzt. Der Obermullah Castro ist immer noch aktiv. Die Blockade gibt es de facto nicht mehr, denn heute werden aus den USA für 900 Mio Dollar Lebensmittel wie genverseuchtes Fleisch und Gemüse eingeführt. Bezahlt wird immer cash (über Mexiko oder Venezuela). Eine 3/4 l Flasche Speiseöl kostet 2,70 CUC (konvertibler Peso) = 67,5 kubanische Pesos bei einem Lohn(Durchschnitt) von 280 Pesos im Monat. Die zusätzliche totale Rechtsunsicherheit für den Kubaner (dir gehört heute eine Wohnung, heute gehört sie der "Pyseudo-Revolution" ohne Erklärung /Entschädigung und morgen wohnt ein Spitzel oder Offizier drin) erklärt,dass immer noch jeder Kubaner auswandern will. Faire internationale Behandlung? Wenn eine Banküberweisung an Familienangehörige getätigt wird, behält die kubanische Bank erstmal 6 Wochen das Geld und zahlt es zu einem absurden Kurs aus. Wer quatscht da von Lebensumstände?

  • WL
    wagner love

    man kann nicht alle probleme kubas auf die sanktionen abwälzen. kubas bevölkerung leidet auch unter einem finanzpolitischen dilemman. zwei währeungen sind im land zugelassen. der peso cubano, für die cubaner bestimmt, ist so gut wie nichts wert. mit ihm sollen die kubaner die razionierten lebensmittel kaufen, die relativ knapp sind. was zu folge hat, dass alle kubaner veruschen an die andere währung, den für touristen vorgehsehen peso convertible zu gelangen. wer connections zum tourismus hat, kommt an das geld heran und kann sich teurere waren leisten. wer nicht, ist viel mehr von den staatlich festgelegten rationien abhängig. so entsteht in kuba ein soziale kluft in der bevölkerung, die ein sozialistisch geführter staat strikt bekämpfen müsste.

  • E
    enno

    Gut so, dass Kuba wider aller Repressalien Haltung bewahrt.

     

    Als ob sich das Leben der kubanischen Bevölkerung verbessern würde, wenn Kuba von seiner Staatsform absieht. Unter'm Strich würden sich die Lebensumstände der Bevölkerung doch eher verschlechtern. Man braucht sich doch nur mal Kubas Nachbarn, insbesondere Haiti, anzusehen.

  • S
    sas

    natürlich läuft in kuba auch nicht alles blendent!!

     

    allerdings in der einzige wandel den man dort wirklich braucht.. und der auch schon längst überfällig ist.. die aufhebung der sanktionen und eine faire internationale behandlung!!!

  • A
    Anonymous

    Typo: chrsitdemokratische