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Krisensicher nachhaltige Landwirtschaft Wie werden wir alle satt?

Auf dem taz lab streiten Xenia Brand und Urs Niggli über Gentechnik, Pestizide und nachhaltige Agrarpolitik in Krisenzeiten.

Nachhaltig, ökologisch, krisensicher – quo vadis, Agrarpolitik? Die Landwirtschaft im Krisenmodus taz

Podiumsdiskussion mit Urs Niggli, Agrarwissenschaftler aus der Schweiz und Xenia Brand, Referentin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft für Klimaschutz und artgerechte Tierhaltung.

taz lab, 03.05.2022 | Beim Panel unter dem Titel "Wie werden wir alle satt" macht Moderator Jost Maurin zu Beginn klar, wie stark der Klimawandel die Landwirtschaft zukünftig beeinflussen wird: Krisen noch und nöcher. Wie können Landwirt:innen und die Agrarpolitik auf die erschwerten Bedingungen reagieren?

Für Niggli sind eine nachhaltig geführte Landwirtschaft bei gleichzeitiger Umstellung der Ernährung die wichtigsten Schritte, um die Landwirtschaft langfristig krisensicher zu machen: Weniger Fleisch, mehr ökologisch produzierte Nahrung.

Einerseits bräuchten wir eine Reduzierung des Fleischkonsums um mindestens 50 Prozent. Andererseits: Mehr Ackerfläche, um nachhaltig Hülsenfrüchte anzubauen. Niggli plädiert für weniger Konkurrenz zwischen Mensch- und Tiernahrung und stellt klar, dass eine tierfreundliche Weidehaltung die Landwirtschaft ebenfalls klimafreundlicher machen würde.

Qualität über Quantität

Xenia Brand verweist auf das eigentliche Problem: Nicht der Fleischkonsum per se sei schlecht, sondern, dass die Qualität beim Thema Ernährung momentan eine viel zu kleine Rolle spiele. Es sei darum wichtig, die Verschiebung des Konsums hin zu nachhaltig produzierten Produkten zu fördern.

Momentan seien die Peise in diesem Bereich nicht deckend und ein Umbau der Tierhaltung für die Landwirte nicht finanzierbar. Sie fordert eine "Tierwohlabgabe", die an nachhaltig wirtschaftende Landwirte fließen soll. Mit dieser Unterstützung könne der ökologische Umbau der Betriebe finanziert werden.

Dumping-Preise in den Supermärkten

Maurin wendet ein, dass eine Erhöhung der Lebensmittelpreise den Hunger auch in Deuschland vergrößern wird und fragt, wie eine höhere finanzielle Belastung der geringeren Einkommen verhindert werden kann.

Niggli bemerkt dazu, dass die Lebensmittelpreise viel zu niedrig sind. "Nie wieder werden Lebensmittel so billig sein, wie jetzt". Die Preise müssten steigen, damit die Produktion für die Erzeuger rentabel sein kann. Sozialpolitik könne nicht auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden, "da müssen dann andere Sozialhilfen greifen"

Tierwohl gegen Menschenwohl

Frau Brand betont, dass das Tierwohl nicht gegen das Menschenwohl gerechnet werden dürfe. Die ökologische Landwirtschaft müsse sich lohnen und der Staat sei in der Pflicht, diese Ungerechtigkeit auszugleichen. Das könne nicht die Aufgabe der Landwirte sein.

Auf die Frage, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel hilfreich sein können, den Hunger der Welt zu bekämpfen, ist Niggli optimistisch und verweist auf große Fortschritte, die in China mit genveränderten Pflanzen gemacht würden. "In fünf bis sieben Jahren, werden wir darüber nicht mehr streiten müssen", sagt er selbstbewusst. Es gäbe schon jetzt interessante, unbedenkliche neue Sorten, die noch nicht auf dem Markt seien.

Hoher Pestizideinsatz trotz Gentechnik

Frau Brand betont, dass die Gentechnik nichts neues gebracht hat, und der Pestizideinsatz trotz der Nutzung von Gentechnik in der Vergangenheit stetig gestiegen sei . Außerdem sei der Verbraucher der Gentechnik gegenüber sehr skeptisch. Am Beispiel der Milch könne man erkennen, dass die Verbraucher bei richtiger Kennzeichnung eher zu dem unbehandelten Produkt greifen – auch deswegen müsse die Kennzeichnung für Gentechnik bleiben.

Für eine zukunftweisende, nachhaltige Landwirtschaft sei es eher wichtig, dass unser Fleischkonsum sich drastisch verringert und die Acker- und Werdeflächen ausgebaut werden. Wiederkäuer müssten in Weidehaltung in einem nachhaltigen System gehalten werden. Wenigstens teilweise sei der einzig praktikable Weg mehr Veganismus.

Ein Text von Edda Sichelschmidt aus unserem taz-lab-Blogger:innenteam.