Krisenmanagement mit H.-W. Sinn: Kapital vor der Kernschmelze
Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Instituts, stellt ein neues Buch vor und schimpft dabei wie ein Altlinker auf die Kasino-Kapitalisten aus der Finanzwirtschaft.
BERLIN taz | Was ist denn hier los? Da vorn sitzt eine Ikone der Neoliberalen und schimpft über die Politik in Zeiten der Krise wie ein Altlinker. "Das Kasino wird bloß renoviert. Ich würde es schließen." Er sieht die Manager als "Marionetten an den Strippen der Aktionäre" und fordert den Staat zum Einstieg in die Banken auf. Was ist geschehen mit Hans-Werner Sinn?
Der Präsident des Ifo-Instituts hat ein Buch über den "Kasino-Kapitalismus" geschrieben, den er verantwortlich für den "Super-GAU" der Finanzkrise macht. Doch auch dieser hat aus Sinn keinen Linken gemacht.
Die Krise sei keine des Kapitalismus, sondern eine des "angelsächsischen Finanzsystems". Und verglichen mit dem "wirtschaftlichen Chaos und der Gewaltherrschaft, die sozialistische Systeme mit sich brachten", sei sie ein "kleines Problem".
Aber immerhin noch groß genug, um sich Sorgen zu machen. Denn die Banken hätten erst ein Viertel ihres auf 4 Billionen US-Dollar geschätzten Verlustes an Werten abgeschrieben. Mit Blick auf die USA, wo die Finanzhäuser bereits jetzt die Hälfte ihres Eigenkapitals verloren hätten, bedeute das: "Das amerikanische Bankensystem ist pleite."
Und auch bei den deutschen Banken würde nach dieser Rechnung 80 Prozent ihres Eigenkapitals abhanden kommen. Hier setzt Sinn mit seiner Lösung an. Entscheidend sei, dass die Staaten künftig von den Banken eine wesentlich höhere Eigenkapitalquote als bisher verlangen.
Und wo die Banken dies nicht leisten könnten, müssten sie dazu gezwungen werden, übergangsweise Kapital vom Staat anzunehmen, die im Gegenzug an der Bank beteiligt wird. Entsprechend hart geht Sinn auch mit den deutschen Rettungssystem für Banken ins Gericht.
Die Banken nähmen das angebotene Geld zur Stärkung ihrer Eigenkapitaldecke nicht an, weil es an zu viele Auflagen geknüpft sei. Ähnlich werde es der Regierung auch mit ihrem Bad-Bank-Gesetz gehen. Hier müsse die Politik nachlegen.
Zudem spricht sich Sinn für die "keynesianische Medizin" aus, die derzeit gebraucht würde. Über Schulden finanzierte Investitionen in Infrastruktur seien sinnvoll, weil sie über das Einkommen der bei den beauftragten Unternehmen Beschäftigten den Konsum beleben könnten.
"Deutschland hat den Binnenmarkt vernachlässigt und zu viele Kräfte in den Export gesteckt", sagte Sinn der taz. "Deutschland muss versuchen, den Binnensektor zu entwickeln."
Die Rettung eines Unternehmens wie Opel oder Schaeffler durch den Staat lehnt er jedoch ab und wird an diesem Punkt dann doch wieder zur Provokationsfigur der Linken. Der Strukturwandel bringe zwar große Härten für die Betroffenen mit sich, sagt Sinn. Doch niemand falle ins Bodenlose, auch wenn die Arbeitslosigkeit sich länger hinziehen sollte. "In Deutschland bieten das Hartz-IV-System und die Sozialhilfe erheblichen Schutz."
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!