Krisengespräche auf dem taz.lab: Demokratische Wiedergeburt
Wie wehren sich Griechen und Spanier gegen den Sozialstaat-Abbau? Wo ist die deutsche Solidarität? Lernen Sie HeldInnen aus der EU kennen!
Solidarität lebt vom Erfahrbarmachen, vom Öffnen des Blicks für das Leben der anderen. Doch in der europäischen Krise werden wir mit Zahlen über wachsende Staatsschulden bombardiert oder bekommen Bilder vom wachsenden Elend in unseren Nachbarländern auf den Frühstückstisch serviert. Die Menschen, die gegen diese Zustände rebellieren, tauchen allenfalls als anonyme Masse auf.
„Dabei erfinden wir die Demokratie neu“, sagt der 34-jährige Eduardo Baches i Lumbierres, „jeden Tag und jenseits der korrupten Politikerkaste, die fallen wird, da bin ich mir ganz sicher.“ Baches Leben ist seit 2009 auf den Kopf gestellt. In jenem Jahr verlor er, wie so viele in der Krise in Spanien, seine Stelle.
Heute ist er in Lleida, einer 140.000-Einwohnerstadt in Katalonien, Sprecher der dortigen Plattform der Hypothekengeschädigten. Die Plattformen haben sich im ganzen Land unkontrollierbar vermehrt und vernetzt. Jung und Alt organisieren sich, um sich gegen die rund 400 Zwangsräumungen von Wohnungen, die täglich im ganzen Land stattfinden, zu wehren. Mit kleinen Erfolgen: Für bestimmte Familien haben die Plattformen der Regierung ein Räumungsmoratorium abgezwungen.
„Aber das reicht uns längst nicht“, sagt Baches. Was ihn antreibt? „Die Kraft der Menschen, die sich in ihren Stadtteilen kollektiv organisieren. Schon mein Großvater, der den Spanischen Bürgerkrieg erlebte, zehrte von der Hoffnung. Er sagte immer: Nur in der Republik gibt es für uns eine Zukunft.“
Auch Tasos Koronakis aus Athen klammert sich an Hoffnung. „Obwohl wir in Griechenland derzeit viel Angst und Hass sehen.“ Die Krise habe rohe Brutalität freigesetzt, allen voran die neofaschistische Gewalt der Partei Goldene Morgenröte.
Kaum deutsche Solidarität
Der 37-jährige Athener lebt den kunstvollen Spagat zwischen seiner Rolle als politischer Sekretär der linken Partei Syriza und als Graswurzelaktivist. „Wir organisieren für das nackte Überleben vieler Menschen Suppenküchen und Erste-Hilfe-Stationen. Diese Orte sind gleichzeitig Keimzelle der politischen Organisierung, des Widerstands von unten gegen eine Politik, die autoritär von oben diktiert wird.“ Auf dem taz.lab berichten Baches und Koronakis von ihren Erfahrungen.
Dabei scheinen in Deutschland die meisten die soziale Gewalt, die sich europäisch ausbreitet, kaum wahrnehmen zu wollen. Etwa nach dem Motto: Hauptsache, uns trifft es nicht.
Doch mancher attestiert den hiesigen Gewerkschaften, gerade in dieser Situation zu versagen. Wer, wenn nicht sie sollten Solidarität schaffen und gegen die Krisenpolitik der Regierung Merkel mobilisieren? Oder glaubt man, sich bei der eigenen Kundschaft dann in die Nesseln zu setzen? Und warum kommen die Krisenproteste der sozialen Bewegungen wie Blockupy nicht über das eigene Milieu hinaus? Fragen, die die taz.lab-Besucher in einem zweiten Panel an den Ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske, an Linksparteichef Bernd Riexinger sowie den Bewegungsaktivisten Hagen Kopp richten können.
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