Krise der Autobauer: Das Problem sind dicke Karren
Die Automobilindustrie hat zu lange auf falsche Modelle gesetzt. Ihre Krise ist hausgemacht - und ganz so dreckig wie nun behauptet geht es auch nicht allen Autobauern.
Kurzarbeit, Zwangsferien, Rausschmiss von Leiharbeitern - die deutsche Automobilindustrie, gern das Herzstück der heimischen Wirtschaft genannt, zieht alle Register, ihre aktuelle Absatzschwäche mit dramatischen Bildern in die Öffentlichkeit zu bringen - und milliardenschwere Forderungen zu platzieren: So soll der Staat Autokäufern zinsvergünstigte Darlehen anbieten, um den Absatz anzukurbeln. Zur Debatte steht auch eine - aller Voraussicht nach industriefreundliche - Reform der Kfz-Steuer, über die die Bundesregierung in der nächsten Woche eine Einigung erzielen will. Und EU-Industriekommissar Günter Verheugen nutzt die Gelegenheit, mal eben ein 40-Milliarden-Hilfsprogramm für die europäischen Autokonzerne zu verlangen. Dabei jammert insbesondere die deutsche Autoindustrie auf hohem Niveau, und ein Großteil ihrer Probleme ist hausgemacht. Gründe für großzügige Staatshilfen und Lohnzurückhaltung der Beschäftigten gibt es also nicht.
"Die Autoindustrie hat in den vergangenen Jahren glänzend verdient", sagt IG-Metall-Sprecher Jörg Köther. Bis zur Sommerpause habe es noch Mehrarbeit gegeben, diese Überstunden könnten nun abgebummelt werden. Es sei auch kein Beinbruch, wenn Daimler statt 7 Milliarden Euro nur 6 Milliarden Gewinn mache. Auch die Konkurrenz steht nicht schlecht da: So verbuchte VW im Jahr 2007 eine Gewinn von über 6 Milliarden Euro, und BMW kann in diesem Jahr mit noch einem Plus von 2 Milliarden rechnen.
Zudem sind die Autokonzerne offenbar in unterschiedlichem Maße von Absatzkrise betroffen: Während die Hersteller großer Fahrzeuge wie Daimler und BMW größere Produktionspausen ankündigten, fallen diese etwa bei VW geringer aus. VW trennt sich zwar zunächst von einigen hundert Leiharbeitern, die zur Bewältigung von Produktionsspitzen eingesetzt werden. Weniger produziert wird allerdings im Werk Bratislava - hier werden die dicken Geländewagen VW Tuareg und Audi Q7 montiert.
"Ein flächendeckender Absturz der Autoindustrie ist nicht zu erkennen", sagt IG-Metall-Sprecher Köther. Zwar befinde man sich in einer schwierigen Situation, aber die Autoindustrie sei ein zyklisches Geschäft. "Wir kommen hier von einem hohen Niveau." Zudem sei sie sehr exportabhängig. Wenn dann wie in Spanien Märkte wegbrächen, wirke sich das eben aus. Einen Grund, die Tarifforderung von 8 Prozent mehr Lohn infrage zu stellen, sieht Köther aber nicht. "Die Industrie hat kein Kosten-, sondern ein Absatzproblem." Darum müsse die Binnenkonjunktur gestärkt werden - und dafür seien höhere Löhne und Planungssicherheit für Arbeitnehmer nötig. Zudem müsse sich die Industrie mehr auf die Produktion von verbrauchs- und emissionsarmen Fahrzeugen konzentrieren.
Das sieht auch der alternative Verkehrsclub Deutschland so. "Die Probleme der deutschen Autoindustrie sind hausgemacht", sagt Daniel Kluge. Der Absatz stagniere schon länger, die Finanzkrise komme allenfalls verstärkend hinzu, weil nun die Verunsicherung der Verbraucher hinzutrete. Die Industrie habe auf falsche Modelle gesetzt, sich zu sehr auf große und schwere Fahrzeuge konzentriert.
Werner Reh, Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz, bringt das auf folgende Formel: "Die deutsche Industrie ist Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden." Weil man mit Premiummodellen schnelle Gewinne machen konnte, seien die sparsamen zu kurz gekommen. "Der VW Lupo wurde nur ins Schaufenster gestellt." Außerdem sei dies sparsame Modell zu teuer gewesen. Nötig ist nun nach Rehs Ansicht eine Innovationsoffensive. Die Industrie müsse verstärkt auf effiziente Motortechniken setzen, sich dem Massenmarkt hinwenden und neue Antriebstechniken, etwa den Elektromotor, ins Visier nehmen.
Die Umstellung der Kfz-Steuer, die künftig nicht mehr nach dem Hubraum, sondern nach dem Kohlendioxidausstoß der Fahrzeuge berechnet werden soll, begrüßen die Umweltverbände im Prinzip. Allerdings fürchten sie, dass die Reform, über die sich Bund und Länder seit Jahren streiten, lediglich den Absatz von Neufahrzeugen ankurbeln soll - und keine ökologische Lenkungswirkung entfaltet. "Spritfresser müssen deutlich belastet, sparsame Fahrzeuge hingegen entlastet werden." Zudem dürften die geplanten EU-Strafen für Überschreitungen des CO2-Ausstoßes von Neufahrzeugen nicht verwässert werden - wie es gerade EU-Industriekommissar Verheugen versucht.
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