Krise bei Werder Bremen: Die fetten Jahre sind vorbei
Überraschend chancenlos verliert Bremen gegen Leverkusen 0:2. Nach vier sieglosen Partien wehrt sich selbst Manager Klaus Allofs nicht mehr gegen den Begriff der "Krise".
Werder Bremen hat schon wesentlich schwächere Spiele in den letzten Jahren abgeliefert als bei der 0:2-Niederlage gegen Bayer 04 Leverkusen. Und selbst nach Desastern wie der klaren Niederlage in Mönchengladbach verbreiteten die Verantwortlichen die Zuversicht, bald wieder dort zu stehen, wo man vermeintlich hingehört: ganz oben. Doch diesmal war alles anders: die Zuschauer betraten mit dem dumpfen Gefühl den Heimweg, dass die fetten Jahre an der Weser nun vorbei sind.
Zu gern hätte Werder-Manager Klaus Allofs, der die Journalisten wie immer zu einem ausgiebigen Plauderstündchen um sich versammelte, von vergebenen Chancen, individuellen Fehlern und positiven Ansätzen gesprochen. Aber diesmal hatte er wie alle anderen gerade eine Lehrstunde erhalten, wie eine wirkliche Spitzenmannschaft agiert und wie seine Mannschaft bis vor kurzem selbst noch in fremden Stadien aufgetreten ist: klug, selbstbewusst, abgeklärt und bis in die Haarspitzen motiviert. Die Leverkusener erinnerten über weite Strecken der Partie an die Bremer in ihrem Meisterjahr 2004.
Das Spiel selbst war überraschend berechenbar. Keine Wundertüte, wie die torreichen Herzschlag-Finals gegen Hoffenheim und Dortmund, sondern eher kampfbetontes Rasenschach. Eine wirkliche Chance, die Partie zu gewinnen, hatte Werder lediglich in der furiosen Eröffnungsphase. Eine Viertelstunde lang zirkulierte der Ball wie zu besten Zeiten, brachten die flinken Özil, Hunt und Rosenberg ihren Turm Almeida mehrfach in gute Position. Ein Strohfeuer, wie sich herausstellen sollte.
Mitte der ersten Halbzeit hatten die Leverkusener sich auf den Bremer Kombinationsfluss eingestellt. Beide Mannschaften kämpften von nun an zäh und verbissen um Positionsvorteile. Die meiste Zeit beackerten die 20 Feldspieler den Rasen in unmittelbarer Nähe der Mittellinie, sodass Torchancen in diesem Spiel zweier offensivstarker Mannschaften Mangelware blieben.
"Wir haben früh gemerkt, dass wir einen Kraftvorteil haben, und uns vorgenommen, das Tempo hochzuhalten", sagte der strahlende Simon Rolfes nach dem Spiel. Seinen eigenen Anteil am Erfolg verschwieg der 26-jährige Nationalspieler in der Analyse bescheiden. In seinen Augen war die Genugtuung aber deutlich sichtbar: Ausgerechnet hier im Weserstadion, wo er als 17-jähriger Junge noch im Werder-Internat gelebt hat, bei der Musterung fürs Profigeschäft aber für zu leicht befunden wurde, brachte er seine Mannschaft maßgeblich mit auf Meisterschaftskurs.
Mit seinem überragenden Spiel gab Rolfes im Nachhinein auch Bundestrainer Jogi Löw Recht, der im letzen WM-Qualifikationsspiel gegen Wales ihn und nicht Torsten Frings warmlaufen ließ. Über die gesamte Spielzeit wirke er dynamischer, frischer und, wie es in der Löwschen Fußballterminologie heißt, handlungsschneller als sein Bremer Kontrahent. Damit lieferte er einen entscheidenden Baustein zum Leverkusener Übergewicht im Mittelfeld, das im Endspiel dieser Begegnung fast zwangsläufig zu den beiden Toren führte.
Der Jubel, in den Rolfes und seine Kollegen anschließend in den Katakomben des Weserstadions ausbrachen, lässt nur einen Schluss zu: diese Mannschaft hat nicht nur Großes vor, sondern auch gemerkt, dass sie es erreichen kann. Mit Rudi Völler, Bruno Labbadia, Simon Rolfes und Manuel Friedrich gehören Akteure zu diesem Team, die zu verschiedenen Epochen das Werder-Kollektiv aus nächster Nähe erlebt haben. An diesem Abend scheint diese Mannschaft, die früher gerne mal als zusammengekaufter Haufen von Individualisten verschrien war, selbst zur verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen zu sein.
Den Bremern dagegen, die jahrelang das Rollenmodell für ehrgeizige Außenseiter abgegeben haben, steht ihre beste Eigenschaft, die Geschlossenheit, im Moment nicht zur Verfügung. Die jungen Spieler wie Hunt und Özil verzetteln sich in Einzelaktionen. Und die alten Recken, Frings und Baumann, scheinen es langsam leid zu sein, die anderen auf ihren starken Schultern durch die nächste Krise zu schleppen. Dass es diesmal wirklich kriselt, weist nicht mal Klaus Allofs von sich. "Ich habe keine Angst vor dem Wort."
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