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■ Kriegsverbrecher werden zur VerhandlungsmasseDie erzwungene Rücktrittsdrohung

Auch wenn die Vereinten Nationen in der Befriedung des Krieges auf dem Balkan versagt haben, in einer Institution hielten sie den Anspruch des Schutzes der Menschenrechte aufrecht: Immer wieder verwiesen ihre Repräsentanten auf das Kriegsverbrechertribunal, wenn die moralische Integrität der Weltorganisation in Frage gestellt war. Wenn jetzt der Chefankläger des Tribunals in Den Haag, Richard Goldstone, mit Rücktritt drohen muß, scheint selbst diese letzte moralisch-politische Bastion der Weltorganisation erschüttert.

Denn die Frage der Kriegsverbrecher wird plötzlich mit den Verhandlungen in Dayton gekoppelt. Es ist nicht verwunderlich, daß der serbische Präsident Milošević einen Kuhhandel bezüglich Karadžić' und Mladić' versucht. Rechtsstaatliches Denken ist ihm erwiesenermaßen immer fremd geblieben. Und wenn jetzt der kroatische Präsident Tudjman es sogar wagen kann, seinen Schützling Blaskić offen gegenüber dem Tribunal in Schutz zu nehmen, zeigt er damit an, daß er die Macht des Tribunals nicht allzu hoch veranschlagt.

Goldstones Drohung richtet sich dennoch vor allem an die Adresse der US-Unterhändler. Hätten sie nicht in dieser Frage ihre anfänglich harte Verhandlungsposition aufgeweicht, bräuchte er nicht auf die Barrikaden gehen. Die Verfolgung der Kriegsverbrecher kann nicht zur Verhandlungsmasse in Dayton degradiert werden. Müßte Goldstone das Schicksal Mazowieckies teilen, hätten sich die USA nicht nur blamiert: Sie hätten selbst ihre Friedensinitiative zum Scheitern verurteilt.

Denn ein dauerhafter Frieden setzt voraus, daß die Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden. Nur die Bestrafung jener, die schuldig an den Morden, den Vergewaltigungen, den Vertreibungen sind, kann den Opfern helfen, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen. Die bosnische Gesellschaft wie die Gesellschaften Kroatiens und Serbiens haben nur dann eine Zukunft, wenn es ihnen diesmal – anders als nach dem Zweiten Weltkrieg – gelingt, die Geschichte dieses neuen Krieges zu verarbeiten. Milošević und Tudjman zeigen mit ihrer Mißachtung des Gerichts lediglich, daß sie selbst dort hingehören, wovor sie ihre Schützlinge bewahren wollen: auf die Anklagebank in Den Haag. Erich Rathfelder

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