piwik no script img

Krieg im Gaza-Streifen"Es muss weitere friedliche Demonstrationen geben"

Der in Palästina geborene SPD-Abgeordnete Raed Saleh ruft zu mehr Protest gegen den Krieg im Gazastreifen auf, um Druck auf Israel auszuüben

7500 Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin gegen die israelischen Luftangriffe im Gaza-Streifen. Raed Saleh, in Palästina geborener Berliner SPD-Politiker und Mitglied des Abgeordnetenhauses, fordert weiteren friedlichen Protest. Bild: REUTERS
Interview von Stefan Alberti

taz: Herr Saleh, Sie sind mit fünf Jahren aus Palästina nach Berlin gekommen, Sie haben Onkel und Tante im Westjordanland. Was empfinden Sie angesichts der Bilder vom Krieg im Gazastreifen?

Raed Saleh: Das ist alles sehr erschreckend und besorgniserregend für mich - ich war ja vergangenen Sommer noch im Westjordanland. Ich mache mir umso mehr Sorgen, weil ich denke, dass der Konflikt auf andere Regionen überschwappen wird.

Am Samstag haben 7.500 Menschen vor dem Roten Rathaus gegen die israelischen Luftangriffe protestiert - Sie auch?

Leider nicht. Ich wäre dabei gewesen, wenn ich nicht einen unaufschiebbaren anderen Termin gehabt hätte. Aber ich finde es sehr, sehr gut, dass so viele ihr Demonstrationsrecht genutzt haben.

Die palästinensische Gemeinde Berlin als Organisatorin hat in ihrem Demo-Aufruf von einem "israelischen Blutbad" in Gaza gesprochen. Wäre das auch Ihre Wortwahl?

Was da passiert, ist absolut inhuman und eine nicht hinzunehmende Verletzung des Völkerrechts, eine systematische Bombardierung der Zivilbevölkerung.

Jenseits der Demonstration - wie sehr bewegt das Thema Berliner Palästinenser und jene, die dort ihre Wurzeln haben?

Was ich von Freunden und Bekannten höre, die aus der arabisch-islamischen Welt stammen, deckt sich mit meiner Gefühlswelt: Da gibt es ein tiefes Unverständnis und Verzweiflung, dass so etwas im Jahre 2009 vor den Augen der Weltöffentlichkeit passieren kann.

Wird das, was jetzt im Gazastreifen passiert, dazu führen, dass sich in Berlin antisemitische Tendenzen verstärken?

Ich hoffe, dass Vereine und sonstige Strukturen auf ihre Mitglieder dahingehend einwirken können, dass sie differenzieren zwischen der Politik des Staates Israel und den einzelnen Menschen, damit es nicht zu einer antisemitischen Stimmung kommt.

Was bleibt Ihnen als SPD-Landespolitiker, außer die Faust in der Tasche zu ballen und auf ein baldiges Ende des Krieges zu hoffen?

Ich kann immerhin jeden dazu aufrufen, zu protestieren. Es muss weitere friedliche Demonstrationen geben, der Protest muss auf der Straße bleiben. Nur so kann der Druck auf Israel wachsen, die Angriffe zu beenden und genauso auch das Embargo gegenüber dem Gazastreifen aufheben.

Haben Sie wirklich Hoffnung darauf?

Ich glaube, dass die Mehrheit in Israel und Palästina weiß, dass dieser sechs Jahrzehnte alte Konflikt militärisch nicht zu lösen ist und sich nur diplomatisch mit einer Zwei-Staaten-Lösung beenden lässt.

Macht denn Ihre Partei - sie stellt immerhin den Bundesaußenminister - genug in diese Richtung?

Die SPD müsste mehr auf eine Mittlerrolle drängen. Deutschland hat bei Arabern wie bei Israelis einen sehr guten Ruf. Wenn ein Land erfolgreich vermitteln könnte, dann Deutschland.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • UB
    Uwe Bröckel

    Ich kenne Herr Saleh seit vielen Jahren aus der Arbeit im Bezirk Spandau. Er steht wie kein anderer für ein Dialog zwischen Kulturen, Religionen und Völkerständigung. Besonders bekannt ist er für sein Projekt "Stark ohne Gewalt" in dem junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gemeinsam mit Polizei und verschiedenen Trägern für ein Miteinander und den sozialen Frieden werben. Er benennt Probleme und fordert im Konflikt im Nahen Osten jedesmal beide seiten gleichermaßen auf den Konflikt politisch zu lösen. In vielen Friedensgruppen und im Dialog vertritt er die Ansicht, daß ein Frieden im Nahen Osten nur am Verhandlungstisch zu lösen ist. Unermüdlich bringt er jüdische, moslemische und christliche Jugendliche zusammen um Respekt und ein Miteinander zu bewirken.

     

    Herr Saleh benennt die Fehler beider Konflikt-Parteien gleichermaßen. Das Interview zielt jedoch auf die Angriffe im Gazastreifen. Da waren seine Antworten klar für eine sofortige Waffenruhe. Die Schuldfrage kann man während Kriegshandlungen nicht klären. Eins kann man aber sagen: Die Reaktion der israelischen Armee sind überzogen. Kriegerische Handlungen lösen keine Konflikte sondern rücken die Chance auf Frieden in weite Ferne. Im übrigen organisiert Herr Saleh keinerlei Demos, sondern fordert die Menschen der Stadt Berlin insgesamt auf im Interesse eines Friedens von ihrem demokratischen Grundrecht (Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen). Ich erwarte es nicht nur von Herrn Saleh sondern von allen Politikern (vor allem Sozialdemokraten) daß Sie für ein Frieden eintreten und auf die Straße gehen.

  • GW
    G. Walther

    Im Gegensatz zur Meinung von Herrn Baer bin ich der Meinung, dass Herr Saleh den Konflikt, seine Lösung sowie den aktuellen Krieg entsprechend der internationalen Menschenrechte und der UN-Resolutionen eindeutig definieren konnte. Die Häufigkeit der Politiker-Kommentare ist logischerweise vom Ausmaß des jeweiligen Ereignisses abhängig, so haben die meisten deutschen und Weltpolitiker den aktuellen Krieg in Gaza kommentiert und teilweise dagegen protestiert, während sie wahrscheinlich von den vergleichsweise "einzelnen" Hamasraketen nicht mal gehört haben. Bei dem Krieg gegen Gaza sind immerhin über 500 Palästinenser, meist Zivilisten, innerhalb einer Woche von einer regulären Armee getötet worden. Das kann man wohl auch "systematisch" nennen. Die unregelmäßigen ungezielten Raketen der Hamas, die Herr Saleh sowie die anderen SPD-Politiker zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt haben, sind alles andere als "systematische Bombardierung", auch deren materielle Folgen sind relativ geringfügig bis teilweise vernachlässigbar. Ebenfalls ist es von Ihnen , Hr. Baer, ein großes Irrtum, wenn Sie von einem UN-Staat wie Israel und einer millitärischen Organisation wie Hamas das Gleiche in Sachen Völkerrecht erwarten. Ich finde die Aussagen von Herrn Saleh angemessen und neutral. Damit kann man wohl Wasser aufs Feuer gießen.

  • MS
    M. Schulze

    Von Herrn Saleh habe ich davor kaum ein Kommentar über außenpolitische Angelegenheiten gelesen. Insbesondere habe ich sehr viel über sein erfolgreiches Projekt "Stark ohne Gewalt" gelesen. Ich finde jedoch seine Position als deutscher Politiker, palästinensischer Abstammung sehr neutral und differenziert: Ein Aufruf zum sofortigen Einstellen des Krieges sowie eine diplomatische Zwei-Staaten-Lösung. Auch der Hinweis auf eine stärkeren Einsatz der deutschen Diplomatie ist sehr angebracht, insbesondere angesichts der aktuellen dramatischen Entwicklungen. Die SPD soll sich ja nicht komplett von der CDU unter der Führung von Frau Merkel überschatten lassen.

  • P
    P.U.Baer

    Wo waren die Proteste von Raed Saleh, als die Hamas Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung abfeuerte? Auch das ist eine "Verletzung des Völkerrechts" und eine "systematische Bombardierung der Zivilbevölkerung".

    Ich halte den Nahost-Konflikt schon seit langem für ein Resultat von Uneinsichtigen Irren. Die Mehrheit der Menschen dort will vermutlich auch nur in Frieden leben.

     

    Wer Diplomatie will, muss daher stets auch die Fehler der eigenen Seite eingestehen. Das hat Herr Saleh leider verpasst.

     

    Gemeinsame Demonstrationen friedliebender Israelis und Palästinenser gilt es zu organisieren, Herr Saleh. Zumindest wenn man wirklich der Diplomatie helfen will. Alles andere ist weiteres Öl ins Feuer zu gießen.