: Kreuzberger Sozi scheitert am toten Revier-Filz
Das „stärkste Stück Deutschlands“ im gewohnten Gang / Stadtdirektor-Wahl in Datteln: „Roter Filz“ setzt sich gegen „Mätzchen der schwarzgrünen Koalition“ durch / Kreuzberger Sozialdemokrat erhält keine SPD-Stimme / SPD-Karrierist aus Datteln siegt wie verabredet ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
„Es wäre ein Wunder, wenn das klappen würde.“ Es klappte nicht. Dieter Najda (45), Sozialdirektor aus Berlin -Kreuzberg, hatte die zu überwindende Hürde kurz vor der Kür des neuen Dattelner Stadtdirektors schon realistisch eingeschätzt. Ein Fünkchen Hoffnung war in seinen Augen dennoch abzulesen. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, nach dieser Devise sei er angetreten.
Ein übermächtiger Gegner sorgte dafür, daß es nichts zu gewinnen gab. Der Name des Ungeheuers: „Roter Revier Filz“. Dieser Filz läßt Wunder nicht zu. Erst kürzlich hatte er in Datteln wieder zugeschlagen. Von den acht gleichermaßen qualifizierten Persönlichkeiten für die Besetzung einer VHS -Führungsposition machte ausgerechnet derjenige das Rennen, dessen Vater der Dattelner SPD-Ratsfraktion angehört.
Zwar war auch die Position des Stadtdirektors für Datteln in der 'Demokratischen Gemeinde‘ überregional ausgeschrieben worden, aber die Bewerber hätten sich das Porto schenken können - der neue Stadtdirektor stand seit einem Jahr fest. Bürgermeister Horst Niggemeiner (SPD-MdB), bundesweit bekannter rechter Flügelmann seiner Partei, und die sozialdemokratische Mehrheitsfraktion wollten ihren Fraktionschef Rudolf Böhm (47), Verwaltungsdirektor in Recklinghausen, zum Chef der Verwaltung küren, koste es, was es wolle. Durch die Kandidatur von Böhm, einem knochenharten Karrieristen, Bürokraten und Betonkopf der alten Schule, sah sich die Opposition aus CDU und Grünen im Dattelner Rat brüskiert. Man sann auf Abhilfe, ließ sich alle Bewerbungsunterlagen kommen und machte, für die Niggemeier -SPD besonders ärgerlich, den Sozialdemokraten Dieter Najda, der in Berlin-Kreuzberg einer Behörde mit 1.000 Mitarbeitern vorsteht, zum „schwarzgrünen“ Gegenkandidaten. Die SPD heulte ob dieser „Mätzchen der schwarzgrünen Koalition“ (Niggemeier) auf, registrierte ein „Störfeuer“ und befand es als „geradezu abenteuerlich“, daß die Opposition den Sozis vorschreiben wolle, „daß wir Sozialdemokraten einen graduierten Sozialpädagogen aus Berlin-Kreuzberg...zu wählen hätten“.
Die Schmach ging an der Stadt Datteln vorbei. Mit 25 Ja gegen 18 Nein-Stimmen machte vorgestern Böhm das Rennen. Mindestens zwei von der Opposition stimmten mit der SPD gegen den Kreuzberger Genossen. Mit Böhm verfügt Datteln jetzt über einen Stadtdirektor, der Gewähr dafür bietet, daß die Bedrohung der Stadtverwaltung durch kulturelle Öffnung und neue Ideen auch künftig ernst genommen wird. Dieser Bazillus wird die Stadt nicht infizieren. Von der enormen Standfestigkeit und intellektuellen Beweglichkeit des neuen Mannes konnte sich die taz im Gespräch überzeugen: Böhm: „Die tageszeitung, die taz, was ist denn das? Aus Berlin? Gehören Sie auch zum Springer Konzern?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen