Kreuzberger Schüler streiken für ihre Lehrerinnen

■ Protest an Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule gegen Entlassung von drei Lehrerinnen

Diese Woche bleiben die Schulbänke der Friedrich-Ludwig-Jahn- Oberschule in der Graefestraße leer. Am Schultor prangen bunte Protestbilder gegen die Sparmaßnahmen des Senats. Unter einer großen Hand mit Stinkefinger steht „Fuck Senat“. Die 360 Schüler der Kreuzberger Hauptschule protestieren seit Montag mit ihrem Streik, der in der Berliner Schulgeschichte einmalig ist, gegen die bevorstehende Entlassung von drei Lehrerinnen. Deren befristete Verträge laufen zum 19. Juni aus.

Sowohl Gesamtelternvertretung als auch Schüler und Schulleitung befürchten schwere Folgen für die Schüler der Hauptschule mit knapp fünfzig Prozent Ausländeranteil. Viele kommen aus sozial schwachen Familien. Im Falle einer Kündigung würden drei Klassen ihre Klassenlehrerin verlieren. Die 15jährige Ruzica hat wie viele andere Angst, demnächst in einem überfüllten Raum zu sitzen: „Dann lernt man weniger.“

Für den Vorsitzenden der Gesamtelternvertretung, Izzat Nimer, ist die vom Senat geplante Entlassung „pädagogisch unverantwortbar“: „Wir wissen alle, daß gerade unsere Kinder auf die Zuwendung ihnen vertrauter Personen angewiesen sind.“

Eltern und Lehrer sind auch auf das Landesschulamt (LSA) sauer. Die Proteste verhallten bislang. Weder auf die letzte Woche geschickten 140 Elternbriefe noch auf Telefonate sei reagiert worden, kritisierte Lehrer Manfred Ohm die Behörde. Auch Schulleiter Jörg Carius unterstützt den vorerst bis Freitag befristeten Streik. Gerade an Hauptschulen sei die Zuwendung durch engagierte Klassenlehrerinnen wichtig. Die „menschliche Qualität“ der drei Lehrerinnen sei nicht selbstverständlich.

Carius kritisiert auch, daß die drei Lehrerinnen seit zweieinhalb Jahren ausschließlich mit befristeten Verträgen arbeiten: „Wir haben sie aus Bedarfs- und nicht aus Vertretungsgründen eingestellt.“ Die bisher einzige Reaktion des LSA, die Fehltage als unentschuldigt ins Zeugnis einzutragen, findet Carius „ein bißchen billig“.

Hans Brand von der Senatsschulverwaltung sagte gestern zur taz, daß der Senat nächsten Dienstag endgültig über die befristeten Verträge entscheiden werde. Nach seinen Angaben machen sich die Eltern der streikenden Schüler einer Ordnungswidrigkeit schuldig. Als Strafe sei eine Geldbuße zu erwarten. Darüber müsse allerdings der Bezirk entscheiden, so Brand.

Unterstützung fand der Protest gestern bei der bildungspolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Sybille Volkholz bezeichnete den Streik als „verständlich und berechtigt“. Die Sparmaßnahmen müßten so umverteilt werden, daß „die Belastung für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche ganz erheblich verringert wird“.

Am 13. Juni wird sich der Schulausschuß des Abgeordnetenhauses in einer Sondersitzung mit der Organisation des nächsten Schuljahres und den Aktionen an den Schulen befassen. Der Bezirkselternausschuß Kreuzberg, der zu dem Streik an der Friedrich-Ludwig-Jahn-Oberschule aufgerufen hatte, denkt bereits an einen unbefristeten Streik, sollte sich bis Freitag nichts tun. Barbara Bollwahn