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Kreative KommentatorenMit Humor gegen Chinas Zensur

Chinesische Kommentatoren machen sich mit Märchen über Pekings Zensurkonflikt mit Google lustig. So gelangt zurzeit eine altertümliche Taube zu Berühmtheit.

Will chinesischen Geschäftspartnern bis auf weiteres doch noch selbst zensierte Informationen zuliefern: Google. Bild: dpa

PEKING tazPekings Zensur beflügelt die Fantasie. So stoßen aufmerksame Internetnutzer und Zeitungsleser in China zurzeit immer wieder auf bisher unbekannte mythische Lebewesen: Jüngstes Beispiel ist die "Guge", wörtlich übersetzt "Altertums-Taube". Dieser Vogel, auf Chinesisch wie "Google" ausgesprochen, fliegt derzeit durch Chinas Cyberspace und entwischt ein ums andere Mal jenen Zensoren, die eine unabhängige Debatte über den Fall Google unmöglich machen wollen.

Der US-Konzern hatte vergangene Woche angekündigt, seine chinesischsprachige Suchmaschine google.cn ins politisch freiere Hongkong im Süden der Volksrepublik umzuleiten. Von nun an werde Google sich nicht mehr dem Wunsch von Chinas Regierung beugen, sich selbst zu zensieren, hieß es. Inzwischen haben Firmensprecher aber eingeräumt, dass sie sich an ihre Verträge halten und mehreren chinesischen Geschäftspartnern bis auf weiteres doch noch selbst zensierte Informationen zuliefern werden.

Die Propaganda-Behörden wiesen die heimischen Medien an, keine eigenständigen Berichte über den Fall zu veröffentlichen. Umso erstaunter waren die Leser des Chongqinger Abendblattes in der vergangenen Woche, als sie einen Artikel unter dem Titel "Geschichte der Wanderung einer Internet-Gottheit, der Altertums-Taube" fanden. In Form eines Märchens erzählt er über das Schicksal der beliebten "Guge", die sich einst um die menschliche Zivilisation verdient gemacht habe - aber dann das veränderte Klima und die vielen Feinde nicht mehr aushielt und in den Süden zog.

Der Text ist gespickt mit Wortspielen und Andeutungen, die chinesische Leser amüsieren: Der "verborgene Vogel" (ausgesprochen wie "Suchmaschine") flieht in großer Schar vor dem "Flusskrebs" (Zensur) in eine Hafenstadt in Südchina und wird nicht mehr aufs Festland zurückkehren. Von nun an herrscht ein anderer Vogel über das Land: Er verbreitet Gift und wird ausgesprochen wie der größte Konkurrent von Google in China, die Suchmaschine "Baidu".

Mittlerweile ist der Text von der Webseite der Zeitung aus der Millionenstadt Chongqing am Yangtse verschwunden und auch aus vielen anderen Internetseiten und Blogs gelöscht worden.

Ebenso vergnügt wie über "Altertums-Taube" debattieren chinesische Internetkommentatoren derzeit über den imaginären Hollywood-Film "Armageddon 2015": Darin retten Chinesen die Welt vor dem Untergang, die große Mauer der Internetzensur bricht zusammen, ein Dissident wird Präsident, die Unesco erkennt die Kommunistische Partei als "Weltkulturerbe" an und die Pekinger Regierung holt Google mit einem großen Fest nach China zurück.

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2 Kommentare

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  • D
    deguo_dabizi

    Das ist ja alles sehr lustig, aber dass GOOGLE ein wirkliches Problem ist habenauch deutsche Datenschützer längst erkannt. Also ist dieser Konflikt nicht wirklich märchenhaft, sondern sollte uns zumindest auch zum Nachdenken über GOOGLE und Co. anregen. Wir tun inzwischen auf niedrigerem Level durchaus Ähnliches, wenn es gegen GOOGLE geht. (StreetView ...) oder die Europäischen Internetsperren. Drum sollte man im Glashaus nicht mit Steinen werfen.

    Vermutlich wird man an Einschränkungen des Internets langfristig nicht vorbei kommen und ebenso wahrscheinlich werden alle Staatssysteme immer wieder der Versuchung erliegen, das für ihre Zwecke auszunutzen - alle.

  • R
    ryandunn

    Geil... Hirn lässt sich halt doch nicht zensieren. hihi