Krach bei den Grünen: Grüne pfeifen Abweichler zurück
Die Spitze der Grünen besteht gegenüber Linksabweichlern auf dem Primat der Partei: Man will sich die Option Grün-Schwarz nicht verderben.
Die Spitzen von Partei und Fraktion der Grünen haben am Donnerstag von ihren Parlamentariern geschlossenes Auftreten und Loyalität verlangt. Die Entscheidung über ein künftige Koalition "obliegt nicht einzelnen Abgeordneten, sondern der Partei", sagte Landesvorsitzender Daniel Wesener. Fraktionschef Volker Ratzmann sagte der taz, auch direkt gewählte Abgeordnete hätten ihr Mandat der Partei zu verdanken und müssten deren Beschlüsse akzeptieren. Die Basis waren von der taz berichtete Überlegungen von Abgeordneten des linken Parteiflügels, die Spitzenkandidatin Renate Künast im Falle von Grün-Schwarz im Parlament nicht zu unterstützen.
Die in Neukölln kandidierende Abgeordnete Anja Kofbinger hatte gegenüber der taz deutlich gemacht, dass für sie nur die gegen Grün-Schwarz gerichtete Stimmung in ihrer Bezirksgruppe entscheidend ist, nicht aber ein möglicher Landesparteitagsbeschluss pro Grün-Schwarz. Aus dieser Haltung würde für sie resultieren, Künast bei der Haushaltsabstimmung im Parlament nicht zu unterstützen. Laut Kofbinger denken weitere Parlamentarier ähnlich. Ein Bündnis mit der CDU ist nach derzeitigen Umfragen Künasts einzige Möglichkeit, trotz SPD-Vorsprungs Regierende zu werden.
Auch die linke Kreuzberger Abgeordnete Heidi Kosche hatte nicht ausgeschlossen, beim Haushalt nicht zuzustimmen. "Das entscheide ich, wenn es soweit ist", sagte sie der taz.
Am Donnerstag rückte Kofbinger von ihren Äußerungen ab. "Selbstverständlich halte ich mich an Parteitagsbeschlüsse", wurde sie von der Nachrichtenagentur dapd zitiert. Laut einem Fraktionssprecher will sie presserechtlich gegen die taz-Darstellung vorgehen. Künast hält sich derweil eine Koalition mit der CDU weiter offen: "Ich will Optionen haben."
Fraktionschef Ratzmann sagte der taz, es sei jetzt an der Parteiführung, klar zu machen, dass Abgeordnete ihre Mandate - egal ob direkt gewählt oder über die grüne Landesliste - nur durch die Partei erringen. Das war offenbar besonders in Richtung von Kosche gemünzt. Die hatte der taz gesagt: "Ich werde direkt gewählt, und ich bin meinem Wahlkreis verpflichtet." Vor Parteitagsbeschlüssen habe jeder die Möglichkeit, sich einzubringen: "Doch wenn wir uns entschieden haben, dann müssen sich auch alle daran halten", sagte Ratzmann. "Es müssen sich auch diejenigen, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, auf uns verlassen können."
Vor dem Hintergrund der offenen Auseinandersetzung über die Option Grün-Schwarz, die unterschwellig schon seit Monaten geführt wird, stellte Künast ein Papier vor, mit dem sie in die dreiwöchige Schlussphase des Wahlkampfs geht. Das fünfseitige Programm unter der Überschrift "Verstehen und Handeln" versteht sich selbst als "programmatische Zuspitzung" und beschränkt sich weithin darauf, zehn aus dem im März beschlossenen, 237-seitigen Wahlprogramm bekannte Punkte aufzulisten. Die ersten vier Punkte sind Schule - mit neuen Lehrern und einem Sofortprogramm -, Arbeitsplätze, Mietenpolitik und die Absage an einen Weiterbau der A100.
Der Titel des Papiers hängt sich offenbar an den SPD-Wahlslogan "Berlin verstehen" an. "Wir haben bessere Ideen als die anderen", sagte Künast, "und wir verstehen nicht nur, wir handeln auch." Dieses Aufsatteln auf die SPD-Kampagne ist auch Strategie bei der CDU, die zum Wochenende hin ihre bereits angekündigten Plakate zum Thema Auto-Brandstiftung aufhängen will. Deren Slogan: "Muss Berlin das verstehen?"
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