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Kostenloses Taxi und Marxismus-Nachhilfe - betr.: "Keine Chance für Atheisten", taz vom 24./25.2.1996

 1. Akt: Kohl verkündet, daß Bahn, Telekom und andere Bundesunternehmen privatisiert werden. Der schlanke Staat und das Ende halbsozialistischer Planwirtschaft werden gefeiert – und alle feiern mit.

2. Akt: Die Telekom tut, was jedes Unternehmen macht: Ihre Preise für Ortsgespräche an das international übliche Niveau anzugleichen. Das Resultat: Proteste, wie wenn in Rußland die Subventionen für's Brot abgeschafft werden.

Daß 1. Akt und 2. Akt zusammengehören, haben manche noch nicht begriffen – insbesondere die Berliner Pastorin Helga Frisch. Stattdessen läuft bei der Kirche das gleiche Spielchen wie bei der SPD – dem Zeitgeist hinterherlaufen, Parolen ins Programm aufnehmen, ohne die Ursachen halbwegs zu überdenken oder zu verinnerlichen. Offensichtlich Handlungsmuster jeder schwindsüchtigen Organisation.

Entweder Frau Frisch ist gegen die Privatisierung der Staatsunternehmen – dann wäre ihr Adressat der liebe Kanzler. Oder sie ist dagegen, daß ein Unternehmen Kohle macht, ohne daß über einen entsprechenden Rentenzuschlag ein Sozialausgleich geschaffen wird: Dann wäre ihr Adressat wiederum Kohl.

Warum nicht gleich von Mercedes fordern, RentnerInnen kostenlos per Taxi zu FreundInnen zu fahren, wo dies doch bisweilen billiger ist, als ein langes Ortsgespräch?

Daß Unternehmen nur „lieb“ sind, wenn es sich am Ende lohnt – soviel Marx scheint offensichtlich in die Kirche noch nicht Eingang gehalten zu haben. Mindestens zehn Stunden ML-Zwangsunterricht für Frau Frisch – von Eduard von Schnitzler!

Georg von Zezschwitz

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