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Kosten für KrankenversicherungZusatzbeiträge sollen 2011 kommen

Für 2010 wird beim Gesundheitsfonds ein Minus von 4 Milliarden Euro erwartet. Versicherte müssen bald mehr für ihre Krankenkasse zahlen, sagt der Chef des Ersatzkassenverbandes.

Die Krankenkassen fordern auch eine Dämpfung der Arzthonorare. Bild: dpa

BERLIN tazDie offizielle Defizitprognose für den Gesundheitsfonds ist verkündet. Nun fordern die Krankenkassen eine Dämpfung der Arzneikosten, Arzthonorare und Krankenhausbudgets. Zusatzbeiträge für die Versicherten seien sonst kaum noch zu vermeiden. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hingegen äußert sich gelassen - er hofft auf höheres Wirtschaftswachstum.

Ein Schätzerkreis aus Experten des Bundesversicherungsamtes, des Gesundheitsministeriums und der Kassen hatten dem Gesundheitsfonds am Donnerstagabend für 2009 ein Defizit von 1,9 Milliarden Euro bescheinigt. Für 2010 wird ein Minus von 4 Milliarden Euro vorhergesagt. Dieser Wert kommt nur zustande, weil der Bund über schon fest zugesagte Steuerzuschüsse hinaus noch einmal 3,9 Milliarden Euro an den Fonds überweisen will. Die Kassen vertrauten darauf, dass das Geld fließt, sagte Thomas Ballast, Chef des Ersatzkassenverbandes (Vdek), am Donnerstag der taz: "Uns verunsichert, dass es noch keinen Gesetzentwurf gibt." Ohne den Extrazuschuss läge das Minus im Fonds nur knapp über der Grenze, die für die Erhöhung der normalen Kassenbeiträge relevant ist: Die Beiträge, die von den Arbeitgebern mitfinanziert werden, müssen dann angepasst werden, wenn die Ausgaben der Kassen zwei Jahre in Folge nur zu 95 Prozent aus dem Fonds gedeckt werden.

Bis zu einer solchen Erhöhung werden Defizite auf andere Schultern verteilt. Entweder auf die der Steuerzahler - durch höhere Zuschüsse des Bundes. Oder allein auf die Schultern der gesetzlich Versicherten - durch Zusatzbeiträge. Sparen bei den Ausgaben ist ein dritter Weg, Defizite im Fonds zu begrenzen.

Genau dazu forderten die Kassen die Politik nun auf. Es könne nicht sein, dass "die Einnahmen von Pharmaindustrie, Ärzten und Krankenhäusern ungebremst steigen", erklärte die Chefin des Krankenkassen-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer.

Vdek-Chef Ballast betont, bei Arznei stünden Kostensteigerungen um über 5 Prozent an. "Das ist nicht darauf zurückzuführen, dass sich die Versorgung toll verbessert hätte." Es liege unter anderem daran, dass die Industrie Preise für patentgeschützte Medikamente selbst und ohne Preisverhandlungen mit den Kassen festlegen könne.

Mit flächendeckenden Zusatzbeiträgen aller Kassen rechnet Ballast für Anfang 2011. Die Chefs großer Krankenkassen hatten in den vergangenen Wochen immer wieder solche Beiträge an die Wand gemalt - allerdings nie an die eigene. Zusatzbeiträge gelten als Wettbewerbsnachteil, weil die Versicherten die Kasse wechseln dürfen, sobald ihre solche Zahlungen fordert.

Führende Gesundheitspolitikerinnen von SPD und Grünen warfen Minister Rösler vor, Zusatzbeiträge bewusst einzukalkulieren, um bessere Argumente für seine geplante Gesundheitsreform und die Kopfpauschale zu haben. Rösler selbst sagte: "Wir gehen davon aus, dass das Wachstum besser wird als erwartet." Deswegen müsse man in der Frage der Zusatzbeiträge sehr gelassen bleiben.

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3 Kommentare

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  • VR
    Volker Rockel

    Muss das wirklich sein oder ist das dem Versagen der Politik geschuldet?

     

    Erst einmal ist alles was mit dem Thema Gesundheit zusammenhängt ein riesiger Markt. Mit rund 240 Milliarden Euro ist dieses nicht nur ein Markt mit einem riesigen Volumen, sondern in vielen Bereichen ein äußerst lukrativer Markt!

     

    Allein für das kommende Jahr prognostizieren Experten für die gesetzlichen Krankenkassen Ausgaben von rund 174,3 Milliarden Euro!

     

     

    Viele Marktteilnehmer wollen von diesem „riesigen Kuchen“ ihr Stück ab haben!

     

    Und da dieser Markt ein relativ stabiler Markt ist - krank wird man immer - gilt es nur eines seitens der Marktteilnehmer zu verhindern;- nämlich, dass der Staat diesen Markt von der Angebotsseite her beginnt zu regulieren!

     

    Denn das würde bedeuten, dass erzielbare exorbitante Gewinnmargen, wie im Bereich der Medikamente, nicht mehr realisierbar sind!

     

     

    Insoweit ist man von interessierter Seite offensichtlich bemüht Reformkonzepte des Gesundheitssystems dahingehend zu beeinflussen, dass diese auf eine Deckelung der Ausgaben beschränkt werden oder, wie beim Gesundheitsfond geschehen, die Einnahmeseite in der Verteilung auf die Krankenkassen zu optimieren!

     

    Letzeres verhindert den Wettbewerb unter den Kassenkassen! Denn der Wettbewerb wäre ja wiederum geeignet die Ausgaben zu optimieren und die Kassenkassen zu motivieren auf die Reduzierung der Aufwandsseite hinzuarbeiten! Das kann aber nicht im Interesse der Leistungserbringer liegen.

     

    Durch Deckelung die Ausgaben zu beschränken ist ohnehin im Gesundheitswesen ein nutzloses Unterfangen, da unter moralisch ethischen Gesichtspunkten schlechterdings einem Kranken eine Leistung nicht verwehrt werden kann!

     

     

    D.h. solange die Politik nicht endlich beginnt den Leistungserbringern - unter schlüssigen Qualitäts-, Kosten- und Gewinngesichtspunkten - Entgelte in angemessener Höhe zuzugestehen (also den Gesundheitsmarkt von der Angebotsseite her zu regulieren!), wird sich die Beitragsspirale im Gesundheitssystem im weiter drehen. Natürlich zu Lasten der Beitragszahler,- versteht sich!

  • KE
    Kai Engel

    Rösler selbst sagte: "Wir gehen davon aus, dass das Wachstum besser wird als erwartet."

     

    Ich gehe davon aus, dass die Ampel eher grün wird als erwartet und fahr schon mal los...........ZACK! Totalschaden!

  • JB
    Joachim Bovier

    Den Krankenkassen sei SPAREN angeraten, statt immer mehr Geld abkassieren zu wollen. Da ist zum einen der Wasserkopf mit den aufgeblähten Verwaltungen, da wird mit den Pharmafirmen nicht wirklich hart verhandelt - wenn im Ausland die Medikamente billiger sind, soll man sie eben dort kaufen, dann werden hier die Preise ganz rasch sinken. (Ich bin Privatpatient, kaufe ich Holland und spare ca. 50% Medikamentenkosten, wobei ich zugegebenermassen als Herzpatient jede Menge Chemie brauche.)

    Dann muss man sich auch einmal überlegen wofür die Solidargemeinschaft eigentlich zahlen soll: wirkliche Medizin für wirklich Kranke ja, aber doch bitte keine Pseudomedizin für Hypochonder, Psychoklemtner für fruwstierte Lehrer und Hausfrauen und auch keine als Kuren getarnten Erholungsurlaube.

    Ich vermag auch nicht einzusehen, warum Leute, die extreme Risiken wie Drachenfliegen, Fallschirmspringen oder Schifahren eingehen, den Rettungshubschrauber aus den Schweizer Bergen von der örtlichen Krankenkasse im hessischen Vogelsberg zu Lasten der Beitragszahler finanziert bekommen müssen oder gar die Abtreibungen für Frauen zu bezahlen, die zu blöd sind die Pille zu benutzen oder mit dem Kondom umzugehen.

     

    Wenn ich länger nachdenke fällt mir bestimmt noch mehr ein. Nein, die Krankenkassen haben ein AUSGABEN-Problem, nicht zu wenig einnahmen.