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Kosten-Nutzen-Analyse gegen ArmutMit 75 Milliarden die Welt retten

Im Copenhagen Consensus zeigen Nobelpreisträger auf, wie man mit lukrativen Investitionen Armut und Unterernährung bekämpft. Der Klimawandel kommt nicht vor.

Auf Platz eins der Investitionsliste stehen Maßnahmen gegen die Unterernährung von Kindern. Bild: dpa

BANGKOK taz | Mittels einer Kosten-Nutzen Analyse haben Experten eines dänischen Think Tanks die lukrativsten Investitionen im Kampf gegen die Geißeln der Menschheit ermittelt. Auf Platz eins kommen Maßnahmen gegen Unterernährung von Kindern. Diese haben eine Rendite von 2.900 Prozent.

Wo soll man also anfangen, wenn man die Welt verbessern will? Der dänische Think Tank Copenhagen Consensus hat ein Panel von Ökonomen gebeten, die besten Investitionen zu ermitteln. Die Experten sollten 75 Milliarden US-Dollar über vier Jahre auf zehn globale Probleme verteilen (18,75 Milliarden Dollar pro Jahr).

Diese Summe entspricht 15 Prozent der weltweiten Ausgaben für Entwicklungshilfe. Zur Auswahl standen dabei 39 Einzelmaßnahmen, die aufgrund einer Kosten-Nutzen Analyse bewertet werden sollten. An der Spitze des zu ermittelten Rankings steht eine Investition von drei Milliarden Dollar pro Jahr, um die Unterernährung von Kindern im Vorschulalter zu bekämpfen.

Bei Kosten von rund 100 Dollar pro Kind lässt sich die Zahl der unterernährten Kinder in Entwicklungsländern um über ein Drittel reduzieren. Dafür müssen allerdings mehrere Einzelmaßnahmen gebündelt werden: So mangelt es den Kindern oft an Spurenelementen, was das Wachstum und die Gehirnentwicklung beeinträchtigt.

Mit Zusatzrationen aufpäppeln

Durchfall- und Wurmerkrankungen können zudem auch dann zu Unterernährung führen, wenn den Kindern eigentlich genügend Kalorien zur Verfügung stehen. Und wenn es tatsächlich an Nahrungsmitteln mangelt, müssen die Kinder mit Zusatzrationen aufgepäppelt werden.

Diese Investition hat eine Rendite von sagenhaften 2.900 Prozent, denn ausreichend ernährte Kinder sind nicht nur gesünder, sondern auch besser in der Schule und damit erhöht sich ihr zu erwartendes Lebenseinkommen. Aus diesem Grund würde der Copenhagen Consensius weitere 300 Millionen Dollar pro Jahr in die Entwurmung von Schulkindern investieren.

Um die Versorgung mit Nahrungsmitteln allgemein zu verbessern, sollen außerdem zwei Milliarden Dollar pro Jahr in die Entwicklung ertragreicherer Sorten von Feldfrüchten fließen. Letzteres „hätte eine weltweite Rendite von 1600 Prozent“ sagt Björn Lomborg, der Gründer des Copenhagen Consensus. Außerdem bedeute „eine höhere Produktivität der Landwirtschaft, dass weniger Wälder gerodet werden – zum Vorteil des Arten- und Klimaschutzes“.

Auf Platz zwei kommt eine Subvention von Malariamedikamenten. Die Ökonomen würden hier 300 Millionen Dollar pro Jahr investieren. Damit lässt sich der vorzeitige Tod von 300.000 Kindern pro Jahr vermeiden. Im Hinblick auf die Geberkonferenz des Global Funds für Aids, Tuberkulose und Malaria zeigt der Copenhagen Consensus somit auf, dass Investitionen in die Behandlung von Malaria zu den kosteneffektivsten Maßnahmen weltweit gehören.

Impfkampagne und Herzinfarktmedikamente

Dies gilt ebenso für Tuberkulose, in deren Bekämpfung der Copenhagen Consensus 1,5 Milliarden Dollar jährlich investieren würde, und die Entwicklung eines Aids Impfstoffs, für die 100 Millionen Dollar ausgegeben werden sollen. Weitere lukrative Investitionen im Bereich Gesundheit sind zudem eine Impfkampagne für Kinder sowie eine Verbesserung der chirugischen Versorgung, mehr Hepatitis B-Impfungen und billige Medikamente gegen Herzinfarkt.

Interessant ist aber nicht nur, was auf der Liste der besten Investitionen steht, sondern auch, was die Experten weggelassen haben. Im Gegensatz zum Copenhagen Consensus 2008 wurden der Abschluss der Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO sowie Investitionen ins Konfliktmanagement etwa durch UN-Blauhelme diesmal nicht berücksichtigt.

Beide Maßnahmen könnten extrem lukrativ sein. Der Mangel an Fortschritten hat aber politische Gründe und kann nicht durch zusätzliche Investitionen behoben werden. Und wie schon in den Jahren 2004 und 2008 fehlen auch beim diesjährigen Konsens wieder nennenswerte Investitionen in den Klimaschutz.

Nicht unumstritten

Dies hat zum einen methodische Gründe: Da die größten Schäden durch den Klimawandel erst in Jahrzehnten auftreten ist der heutige Nutzen von Klimaschutz im Vergleich zu den anderen Maßnahmen eher gering. Zum anderen spiegelt sich darin aber auch die persönliche Meinung von Björn Lomborg wider, der in der Vergangenheit gegen wirksame Klimaschutzmaßnahmen argumentiert hat.

Der „Konsens“ der Mitglieder des Copenhagen Consensus ist also nicht unumstritten. Dennoch zeigt auch die diesjährige Ausgabe wieder spannende Investitionsmöglichkeiten für Entwicklungspolitiker und gemeinnützige Stiftungen auf, schließlich hat niemand gesagt es sei einfach, die Welt zu verbessern.

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7 Kommentare

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  • J
    Jonas

    Lomborg kann den Klimawandel nicht mehr leugnen, also wird er abgewertet, in diesem Fall pseudo-objektiv mit Zahlen: aber was ist die Rendite eines nicht verlorenen Menschenlebens? Was die eines verlorenen Menschenlebens (Hunger) jetzt und was die in Zukunft (Klimawandel)? Die Zahlen-"Methodik" ist haltlos und zynisch.

     

    Die Fragestellung dieses Agit-Prop-"Consensus" ist anmassend und ebenfalls zynisch: es geht um grundlegende ökosoziale Änderungen der weltweiten Zerstörungs- und Ausbeutungsstrukturen und nicht um kapitalistisch wertmaximierende Allokation von Almosen von Reicher Gnaden.

  • UN
    user name placeholder

    Wie wäre es mit: Ausbeutung und Unterdrückung unterlassen?

    Charity im Kapitalismus ist nichts als ein Pflaster fürs blutende Rest-Gewissen.

  • J
    Jan

    @Diederich Heßling, 18.05.2012 15:00 Uhr

     

    "Oder hab ich da jetzt etwas nicht richtig verstanden?"

     

    Ja. Und zwar so ziemlich alles. Über die Wortwahl des Think Tanks kann man streiten, aber was bitteschön spricht dagegen, Geld so zu verteilen, dass es den meisten Nutzen bringt?

     

    Zumal Ihr Beispiel/Vergleich absurd ist. Bei vorübergehenden Zahnschmerzen ohne Zahnschädigung sind leichte Schmerzmittel tatsächlich ideal. Ansonsten helfen sie auch langfristig gar nicht. Beim Zahnarzt geht die Kosten/Nutzen-Rechnung dann weiter. Der Zahnarzt wird eine Wurzelkanalbehandlung empfehlen, wenn der Zahn dadurch langfristig erhalten werden kann. Wenn nicht, wird extrahiert.

  • W
    www

    was den Menschen fehlt ist Kaufkraft um sich Nahrungsmittel und Medikamente und Vehütung und wirtschaftliche Entwicklung Bildungsinvestitionen leisten zu können. Dann müssen die Kinder auch nicht mitarbeiten.

     

    Da könnte eine globale Vermögensumverteilung helfen. Das globale ProKopfVermögen pro 4,6 Mrd. Erwachsenen Menschen weltweit liegt immerhin bei 70700 US Dollar laut Credit Swiss -- gar nicht mal so arm einjeder.

     

    ich hab dieses Geld auch nicht auf meinem Konto gefunden und bitte um Überweisung, damit ich mich auch entwickeln kann.

     

    Das Projekt Grundeinkommen Namibia soll teilweise erfolgreich sein, d.h. die Frauen geben Geld für sinnvolle Sachen aus.

     

    medizinische Großprojekte? Die fördert schon seit über 10 Jahren Bill Gates mit seiner ominösen Stiftung und es kommt nichts dabei heraus. Wahrscheinlich will man eher damit noch verdienen. Bei Großprojekten sehe ich keinen Nutzen. An Medikamente wird schon genug geforscht. Da kann man improvisieren, man braucht aber Kaufkraft um sich Malarianetzte, Medikamente etc. leisten zu können - das ist nur ein Randproblem, nicht die Ursache von Armut.

     

    was helfen würde gegen Überbevölkerung sind ein gutes Rentensystem und Bildung -- da sind sich alle einig. Dann würde die Hilfe auch direkt ankommen. Das ist reine Psychologie -- ein Medikament wird einmalig verbraucht, bekomme ich langfristig immer finanzielle Mittel, dann plane ich langfristig mein Leben um. Dann fängt man an zu investieren, hat Geld zum konsumieren, überlegt sich eine Zukunftsinvestition für die Nachkommen, ein Gewerbe zu gründen etc.

     

    es gibt in vielen Ländern kleine Rentensysteme, diese sind zu niedrig und sichern nicht die Existenz. Die Geburtenrate sinkt durch Rentensysteme (Existenzsicherng im Alter) und Bildung. Die Gesundheit würde sich danach verbessern, weil man dann auch mehr in Hygiene/Sanitäranlagen investieren könnte.

     

    Das entscheidende ist Kaufkraft und die Direktinvestition in die Leute vor Ort --- nicht in Großprojekte.

     

    Woher kommen die meisten Flüchtlinge in Europa: wenn sie aus Afrika kommen, sind es oft verarmte Bauern oder Fischer, die sich damit nicht mehr ernähren können oder deren Betriebe kaputtgingen durch die Agrarglobalisierung und Landwirtschaftspolitik. Ein regelmäßiges Einkommen könnte dort neue Möglichkeiten eröffnen -- also ein BGE und eine Rentenversicherung. Dann hat man das Einkommen diversifiziert.

     

    man muss das mal auf sich beziehen: was würde mir eher helfen, wenn ich arm bin --- jemand schickt mir immer ein paar Pillen und Moskitonetze unregelmäßig und forscht jahrzehntelang an was, ich weiß nichts davon. Oder jemand schickt mir monatlich einen ausreichenden Betrag Geld und ich weiß der Scheck kommt immer -- ich mach mir dann immer eine Liste und weiß genau, was meine Family alles braucht: Medikamente sind ab und an nach Bedarf mit dabei, aber andere wichtige Sachen auch: Nahrung, Schulgeld, Laden gründen.

  • BB
    BN BN

    Eine Meinung eines Think Tanks ist nicht deshalb umstritten, weil die TAZ anderer Meinung ist. Sie ist dann umstritten, wenn andere, aehnlich angesehene Think Tanks oder aehnliches eine andere Meinung veroeffentlichen.

    Ich weiss nicht, ob das hier der Fall war, gehe aber davon aus. Dann waere es zwar wahr, dass die Meinung umstritten ist - die TAZ sollte aber schreiben, wer die Allgemeingueltigkeit dieser Meinung bestreitet und wieso.

  • DH
    Diederich Heßling

    Super Ideen von sehr hellen Köpfen!

     

    Ich gehe seit Jahren auch nicht mehr zum Zahnarzt. Wenn die Zähne dann mal schmerzen, nehm´ ich einfach zwei Schmerztabletten - gibts schon die Zehnerpackung für unter zwei Euro in der Apotheke - schon sind die Zahnschmerzen weg.

     

    Angenehmer Nebeneffekt:

    Richtig gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis!

     

    Oder hab ich da jetzt etwas nicht richtig verstanden?

  • R
    Realist

    Wir sägen doch seit jahrzehnten fleißig am Ast, auf dem wir sitzen. Heute sind Ellenbogen und mitnehmen was geht angesagt. Die Konservativen faseln immer noch vom ewigen Wachstum und haben ansonsten ihr Hirn vor Gier abgeschaltet. Alao weiter mit lautem Getöse, dem sicheren Untergang unserer Spezies entgegen. Irgendwie kriegen wir das schon gebacken. Entweder mit Atomwaffen, Chemie-, oder Biowaffen, Atomkraft oder Planeten Raubplünderung durch die "Märkte". Wir schaffen das schon noch. Die Erde wird es uns danken. Erst ohne die "Krone der Schöpfung", hat sie eine realistische Chance, sich zu erholen. Das Klima wird sich auch ohne Nobelpreiträger wandeln.