Korruption in Kenia: Das Geschäft mit dem Hunger
Zehn Millionen Kenianer hungern und brauchen Lebensmittelhilfen. Der Präsident hat den Notstand ausgerufen und appelliert an die Geber. Schuld an der Misere ist die Korruption.
Drei Tage ist es her, dass Magdalena Nthoki für ihre acht Kinder zum letzten Mal gekocht hat, einen dünnen Maisbrei, den sich alle teilen mussten. "Seitdem habe ich nichts mehr." Wie die meisten Einwohner von Makuyu, einem staubigen Landstrich knapp 200 Kilometer südlich der Hauptstadt Nairobi, lebt die Witwe nun von wilden Beeren und den paar Mangos, die die Bäume noch hergeben. Zweimal hintereinander ist die Regenzeit hier ausgeblieben. Die Felder sind leer, und der nicht weit von der Farm gelegene Bach ist ausgetrocknet.
Ein Viertel der Bevölkerung Kenyas teilt Magdalena Nthokis Schicksal: Zehn Millionen Kenianer leiden Hunger, so die Regierung. Präsident Mwai Kibaki ließ den Notstand ausrufen und hat die Geberländer aufgefordert, Hilfe in Höhe von 320 Millionen Euro zu leisten. Damit soll vor allem Mais importiert werden, das Hauptnahrungsmittel im Land. Er wird zu einem feinen Mehl gemahlen und als gesüßter Porridge oder als Ugali, ein pappiger Brei, gegessen. Weil während der Unruhen vor einem Jahr viele Felder nicht bestellt wurden, war der Mais schon vor der jüngsten Dürre knapp. Inzwischen ist der Preis für Maismehl so sehr gestiegen, dass viele Kenianer sich ihr Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten können. Bis zu umgerechnet 1,20 Euro kostet ein Zwei-Kilo-Paket, das sind zwei Drittel eines Tageslohns.
Während Präsident Kibaki nach internationaler Hilfe ruft, spricht seine eigene Justizministerin ein öffentliches Geheimnis aus: "Schuld an dieser Misere sind korrupte Funktionsträger, und mehrere von ihnen sitzen in unserer Regierung", wettert die Politikerin. "In den entscheidenden Ministerien regieren Kartelle, die gemeinsam mit skrupellosen Händlern aus der Not Profit schlagen."
Besonders attraktiv ist diese Art der Korruption, weil der Staat Maisreserven für Notzeiten anlegt. Nach den zwei Rekordernten 2006/2007 lagerten dort vor einem halben Jahr drei Millionen Sack Mais, der Sack zu 90 Kilo. Mit diesen Reserven machte Kenias Mafia dicke Geschäfte. Eigentlich soll staatlicher Mais günstig auf den Markt gelangen, um die Preise zu stabilisieren. "Aber der Mais wurde billig an Scheinfirmen abgegeben, und die haben ihn dann teuer an Müller weiter verkauft", berichtet ein Insider im "National Cereals and Produce Board". "Die gleichen Leute haben dafür gesorgt, dass die staatlichen Lieferungen künstlich verknappt wurden, so dass die Müller von den Mittelsmännern kaufen mussten." Also erhöhten die Müller den Endpreis für Maismehl, worunter die ärmsten Kenianer bis heute am meisten zu leiden haben.
Als Ende vergangenen Jahres Proteste zunahmen, führte die Regierung Fünf-Kilo-Säcke Maismehl "für Bedürftige" ein, die nur je knapp 50 Euro-Cent kosten sollten. Doch egal wo man sucht: zu bekommen sind diese Säcke fast nirgendwo im Land. "Es gibt keinerlei Belege darüber, an welche Müller wie viele der 400.000 Sack Mais gegangen sind", erklärt der Insider. Mehrere Müller, die angeblich zehntausende Sack erhalten haben, gibt es überhaupt nicht. Mit dem hoch subventionierten Mais machten viele das Gleiche wie zuvor: sie verkauften ihn teuer an real existierende Müller, die wiederum den Preis anhoben. Andere exportieren den Mais in den Südsudan, mit noch höheren Profiten.
Am Donnerstag wurden dem Parlament Papiere vorgelegt, wonach auch Landwirtschaftsminister William Ruto zu dem Kartell gehört. Mindestens eine Million Sack Mais sollen seit seinem Amtsantritt spurlos verschwunden sein.
Dass Hilfslieferungen auf diese Weise verschwinden, stellt die Geberländer vor ein Dilemma, das ein westlicher Diplomat so beschreibt: "Sollen wir darauf verzichten, den Hungernden zu helfen, nur weil die Regierung so korrupt ist?"
Die Bauern, die noch Mais in ihren Scheunen haben, fordern vom Staat jetzt höhere Preise - 25 Euro pro Sack statt wie bisher 19,50 Euro. Doch anstatt mit den Bauern zu verhandeln, kündigte Planungsminister Wycliffe Oparanya an, Mais zu importieren, mit dem Argument, die Regierung dürfe sich nicht erpressen lassen. Viele glauben hingegen, dass es nur darum geht, dass die Kartelle am importierten Mais mehr verdienen.
MARC ENGELHARD
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