Kopfsport mit dem Kunststoffbesen

■ Warum Sven Goldemann vom Curling Club Hamburg kanadisches WM-Eis schrubbt

Curler sind es gewohnt, belächelt zu werden. Da versuchen doch tatsächlich erwachsene Menschen, bettflaschengleiche Steine unter exzessivem Schrubben mit Besen in drei farbige Ringe zu bugsieren. Seit diesem Wochenende spielen fünf junge Männer vom Curling Club Hamburg im kanadischen Hamilton um die Weltmeisterschaft in der seit kurzem olympischen Sportart. Die taz sprach vor dem Abflug mit Sven Goldemann vom CC Hamburg.

taz: Worin liegt für Dich der Reiz am Curling?

Sven Goldemann: Curling ist ein Kopfsport. Man versucht hier nicht nur, den Gegner zu schlagen, sondern kämpft auch gegen die eigenen Schwächen. Es sind die vielen Kleinigkeiten, die so faszinieren: die eigene Konzentration, die Taktik und diese dem Gegner aufzuzwingen...

Und wenn Du Curling in einem Satz beschreiben müßtest?

Ein Mannschaftssport auf Eis, bei dem zahlreiche Faktoren wie Eisverhältnisse, Taktik und Intelligenz entscheidend sind.

Wie bist Du zu diesem Sport gekommen?

Mein Vater spielte Curling und nahm mich öfter zum Training mit. Seit 1983, da war ich dreizehn Jahre alt, spiele ich im CC Hamburg und warb dann auch bei Klassenkameraden für diesen Sport.

Welche Rolle spielt der Teamgeist?

Im Curling muß man seine Mitspieler schon sehr gut kennen, das Menschliche ist sehr wichtig. Curling ist ein Mannschaftssport, wenn dort einer aus der Reihe tanzt, ist das schlecht für alle. Was unser Team betrifft, verstehen wir uns untereinander blendend.

Wie nehmt ihr eure Steine eigentlich mit nach Kanada? Kommen die ins Handgepäck?

Nein, nein, die Steine werden dort gestellt. So ein Stein wiegt zwanzig Kilo ... Außerdem muß der Curlingstein ein bis zwei Tage auf dem Eis stehen, um überhaupt spielbar zu sein. Unsere Besen nehmen wir aber mit – seit circa zwei Jahren gibt es winkelverstellbare Kunststoffbesen, die enorm viel Wärme erzeugen.

Bist Du im Haushalt auch so schnell mit dem Besen?

Ja, es kommt häufiger vor, daß meine Künste mit dem Besen auch zu Hause gefragt werden. Ich verweise dann immer darauf, daß ich meine Wisch-Energie fürs Curling aufsparen muß, das wirkt, zumindest meistens.

Seid ihr aufgeregt vor der WM?

Wir sind natürlich sehr aufgeregt. Es ist einfach das Größte überhaupt für einen Curler, bei einer WM dabei zu sein, noch dazu in Kanada, der Hochburg des Sports. Wenn wir dort vor Hunderten von Zuschauern spielen dürfen, wie den berüchtigten Schweizer Fans, die ihr Team mit Kuhglocken zum Sieg läuten wollen, dann ist das mit der Atmosphäre hierzulande gar nicht zu vergleichen.

Welche Chancen rechnet ihr euch bei der WM aus?

Wir sind das erste Mal bei einer WM, das Team ist doch recht unerfahren. Einzig unser Skip Johnny Jahr war 1985 schon Europameister. Der Einzug ins Halbfinale wäre schon ein großer Erfolg.

Was passiert, wenn ihr am 31. März Weltmeister würdet?

Dann würde mein Kopf aussetzen und ich wie hypnotisiert durch Kanada wandeln, bevor ich's begriffen habe – es wäre das absolut Größte. Fragen: Martin Golob