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Kontraste, Küsse, Kommunikationen

■ Blues-Lady Marla Glen und Rhythm–n Blues-Oldie Rory Gallagher im Stadtpark

Ausverkauft war die Stadtpark-Arena, nicht zu heiß und angenehm die Temperatur, und die vorbeifliegenden Touristenjets von und nach Fuhlsbüttel grüßte die Chicagoer Blues-Lady Marla Glen: „Auch die da oben können uns sehen“. Die zierliche, schlicht gekleidete Person mit kurzgeschorenen Haaren begann pünktlich um 18 Uhr, spielte bis 19.15 Uhr – inklusive einer Zugabe –, und das Publikum tobte. Aber länger war nicht drin, denn Rory Gallagher stand schon hinter der Bühne und wollte raus, bösen Zungen zufolge, um einen Vollrausch vor Konzertbeginn zu vermeiden.

Wie ein Derwisch tobte Marla Glen über die Bühne, griff zwischendurch immer wieder zur Mundharmonika, holte einmal 30 bis 40 Leute aus dem Publikum auf die Bühne, stellte sie händchenhaltend um sich im Kreis auf, blies ihre Mundharmonika und gab anschließend jedem ihrer Bühnenbesucher ein heftiges Bussi, ja umarmte als Lesbe sogar die Männer ganz liebevoll und drückte sie heftig. Ihre innige Kommunikation mit dem Publikum erntete völlige Begeisterung. Mit tiefer rauchiger Stimme hauchte sie dem Blues authentische Emotionen ein, authentische Frauensolidarität auch, daß sie als Background-Sängerin eine werdende Mutter verpflichtet hatte. Ihre sechsköpfige Begleit-Combo überzeugte bei der gigantomanischen Show, die vom ersten Moment an zündete. Schade, daß sie so früh die Bühne räumen mußte für:

Rory Gallagher, das 46jährige irische Biergestein, begleitet von dreiköpfiger Band. Der inzwischen ziemlich untersetzte Ire sah nach einigen durchlebten Exzessen aus, als sei er als kleiner Junge ins Guinness-Faß gefallen. Immerhin lieferten er und sein Mundharmonika-Spieler die Show von 19.45 Uhr bis 21.30 Uhr, inklusive einer Zugabe. Die alten Fans sangen hingebungsvoll die alten Hits mit, schon bei den ersten Stücken, die noch fühlbaren Blues versprühten, dann beim Gallagherschen Rhythm –n Blues, und auch, als er allein auf der akustischen Gitarre zauberte und seinen beliebten Bottleneck aufheulen ließ. In vollendeter Rockerpose am Mikrophon stehend, den Gitarrenhals in die Luft gereckt, schien er sich zu freuen, noch so beweglich zu sein. Wie hatte er vor 20 Jahren gesagt: „Ich will immer noch auf der Bühne stehen, wenn ich einmal 40 oder 50 bin, und das Publikum zufriedenstellen können.“ Mal schlug er entfesselt mit dem Gitarrenhals auf den Mikroständer ein, so als wolle er jeden Moment die Bühne zerlegen. Doch solch glanzvollen Momenten folgte wieder ein Gallagher, der scheinbar nicht wußte, was er eigentlich auf der Bühne sollte oder wollte. Noch einen Versuch der Kontaktaufnahme unternahm er schließlich, ging bis an die steinerne Rampe der Stadtparkbühne aufs Publikum zu, tauschte mit einer Zuhörerin das Plektrum und bewegte die Leute dazu, sich an den Händen zu halten, was bei den nahe stehenden alten Fans keine Schwierigkeit war. Trotzdem blieb es ein Konzert mit starken Kontrasten: Nach der kommunikativen Marla Glen wirkte Rory dagegen eher wie ein etwas selbstverlorener, alternder Rocker.

Nach Diktat verreißt: JMS

Fotos: JMS

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