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Archiv-Artikel

Konsum & Luxus

Das deutsche Wort „Luxus“ stammt von dem gleich lautenden lateinischen luxus, das so viel wie „üppige Fruchtbarkeit, Ausschweifung, große Pracht“ bedeutet. Das verwandte lateinische luxuria meint sogar „Zügellosigkeit, Übermut“. Im Deutschen hat wohl der Arzt Paracelsus den Begriff erstmals Mitte des 16. Jahrhunderts verwandt. Das Adjektiv „luxuriös“ entstammt dem französischen luxurieux, „unzüchtig“. In jedem Fall wohnt dem Begriff „Luxus“ das Abweichen vom normalen Maß und auch vom moralisch Guten inne.

So auch die heutige Verwendung des Begriffs: Luxus sind Dinge oder Handlungen, die über das hinausgehen, was als notwendig oder normal angesehen wird. Luxus wird immer über eine Abwägung bestimmt. Was Luxus ist, wird erst deutlich, wenn klar ist, was die Norm ist. Und die schwankt innerhalb von Epochen, Kulturen oder auch Generationen.

Das Bedürfnis des Menschen nach Luxuswaren, also solchen, die eher aus Lust denn aus Bedarf konsumiert werden, gilt als Triebfeder für die Entstehung des modernen Kapitalismus. Die im Mittelalter aus dem Orient nach Europa eingeführten Gewürze, Farben und Stoffe waren ebenso Luxusgüter für eine kleine Oberschicht wie die in der frühen Neuzeit überseeisch gehandelten Genussmittel. Kaffee, Tee, Tabak und Kakao blieben lange Zeit für die Mehrzahl der Menschen in Europa unerschwinglich und damit Luxus, ebenso lange blieb der Name „Kolonialwaren“ für diese Produkte ein Synonym für Luxusartikel. Ihre Herstellung trieb die Ausbeutung der Sklaven in Übersee an.

Konsum dient der Bedürfnisbefriedigung, aber auch der sozialen Abgrenzung. Dass die neue ländliche Oberschicht der Vorindustrialisierung plötzlich auch nach Süßzeug und anderem Luxus verlangte und ihn sich leistete, verdross die alten Eliten. Die städtischen Bürger gaben sich im Alltag enthaltsam, führten ihre finanziellen Möglichkeiten aber anhand der besonderen Anlässen vorbehaltenen „guten Stube“, feiner Kleidung oder opulenter Feiern vor. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Technisches – Autos, Radios, Kühlschränke – zum begehrten Statussymbol.

Im nachkriegsdeutschen Wirtschaftswunder stiegen Warenangebot wie Löhne kräftig, ehemals Luxuriöses wurde für viele erreichbar. Da Abgrenzung über bloßes Haben schwieriger wurden, funktionierte sie jetzt mehr und mehr über Marken. Luxus war nun, das Besondere zu besitzen, und weil die Produkte sich ähnelten, wurde ihr Image wichtig. In den Achtzigerjahren steuerte dieser Trend auf einen regelrechten Markenhype hin. Der Journalist Florian Illies landete noch Jahre später einen Bestseller mit einer Beschreibung der Jugend dieser „Generation Golf“, die offenbar an ihren Marken entlanglebte.

Heute kann Luxus, ganz postmodern gedeutet, alles Mögliche sein. Nachdem viel zu besitzen in der westlichen Welt fast alltäglich ist, gilt nicht mehr Menge als Luxus. Trendforscher machen einen neuen Luxus aus, der in der Schlichtheit liegt, Qualität und Ästhetik betont. Ein anderer Trend ist seine Entdinglichung: Da Luxus nur etwas sein kann, was nicht einfach zu erreichen ist, definiert er sich in Zeiten, in denen materieller Mangel nicht mehr allgegenwärtig sind, über die freie Verfügbarkeit über andere, umkämpftere Ressourcen. Genug Zeit zu haben oder viel Raum zum Leben wird zum Luxus, den man auch zu bezahlen bereit ist. Abseits des Massentourismus zu reisen kann eine Ausprägung sein, oder die kleine Flucht in die Oasen des Wellnesskults. Grundmuster bleibt: Je individueller, desto luxuriöser. WIEBKE HOLLERSEN