: Konsequente Provokation
„Ich heiße Peter Kreister und habe meine Zelte in Böckernheim aufgeschlagen. Mit viel Liebe zum Detail habe ich eine ruinöse Tankstelle restauriert, deren Geschichte sich zurück bis ins 6. Jahrhundert verfolgen lässt. Dort bringe ich jetzt interessanten Menschen guten Geschmack bei. Ich lasse dort ab und an die Kuh fliegen und quetsche die eine oder andere Doppelmagnum. Ganz nebenbei mache ich auch Furore mit meinen eigenen Weinen. Ein Riesling, der so unmodern ist, dass er schon wieder modern ist. ‚Kreister I‘ und die Jahreszahl 2001 lesen Sie auf dem Etikett. Ein Affront gegen das Deutsche Weingesetz, klar. Als rebellischer Weinmacher gebe ich ganz unverhohlen zu, dass dafür nicht Deutschland, sondern Frankreich mein Vorbild ist. Mein Debütwein besitzt eine fast skandalös kraftvolle Säurestruktur. Stattdessen besitzt er eine ausgeprägte Mineralität. Ein önologischer Paukenschlag! Genauso unangepasst wie mein Wein bin ich als Weinprovokateur selbst: 44 Jahre jung, diplomierter Betriebswirt mit Magister für Politikwissenschaft, fünf Jahre einer der drei Kellermeister eines etablierten Weingutes und unzufrieden mit dessen Populismus, Baseballkappe auf dem Kopf, schwarzes Doppel-T-Shirt auf dem Leib und Gauloises ohne Filter im Mund. Dass ich beim Abstechen eines Weines die Scorpions höre, würde man mir genauso zutrauen wie eine Symphonie von Bach oder Händel. Und so kantig wie mein Erscheinungsbild ist auch meine Meinung vom deutschen Wein. Der VDP ist der Totengräber der deutschen Weinkultur, ein ‚Großes Gewächs‘ mit einem Ertrag von fünfzig Hektolitern pro Hektar ist ein Widerspruch in sich. Bei meinem Erstwein, ‚Kreister I‘, spreche ich als Weinrebell über einen Ertrag von einem Hektoliter pro Hektar; zwei bis drei Trauben akzeptiere ich als Steillagenwinzer am Stock. Bei einem Preis von 280 Euro kann man sicher von einem Wein für ‚Freaks‘ sprechen. Nachdenkliche, ironische und philosophische Gedanken verdeutlichen, dass ich über den Tellerrand blicke, ich stehe mit beiden Füßen auf der Erde. An revolutionären Visionen und der überlebenswichtigen Sturheit mangelt es mir jedenfalls nicht. Ein fundamentalistisches Nein zur Weinglobalisierung und allen Zugeständnissen an Showgebaren, Modernität oder internationalen Geschmack! Eine Anstellung meiner Weine bei den einschlägigen Führern kommt nicht in Frage. Trotzdem kam es in letzter Zeit immer wieder zu Ehrungen, deren Urkunden bei mir stilsicher im Gäste-WC hängen – eine weitere Provokation. Als junger Wilder werde ich mir mit meinen streitbaren Meinungen, meinem fesselnden Credo für den authentischen Wein in Zukunft bestimmt nicht immer nur Freunde machen.“
Aufgezeichnet von Michael Rudolf