Konjunkturpaket: Mehr Freizeit auch in Minifirmen
Maßnahme Kurzarbeit: Auch kleine Firmen vertrauen in der Wirtschaftskrise immer häufiger auf die subventionierte unfreiwillige Freizeit.
Es ist ein Treppenwitz der Wirtschaft: Da wurde in den vergangenen Jahren heftig über längere Arbeitszeiten gestritten, auf dass der hiesige Jobmarkt konkurrenzfähig bliebe - und nun entwickelt sich ausgerechnet die Kurzarbeit zum Renner in der Krise.
Eine Million Anträge auf Kurzarbeit aus konjunkturellen Gründen zählte die Bundesagentur für Arbeit seit Sommer vergangenen Jahres. Kurzarbeit gilt derzeit als "das wichtigste arbeitsmarktpolitische Instrument", sagt Sabine Klinger, Konjunkturexpertin beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur.
Auf Kurzarbeit setzt auch das Konjunkturpaket II, das aller Wahrscheinlichkeit nach der Bundestag an diesem Freitag verabschieden wird. Arbeitgebern, die Beschäftigte auf Kurzarbeit setzen wollen, wird dies finanziell erleichtert. Schon seit einiger Zeit können auch Zeitarbeitsfirmen ihre Beschäftigten leichter in die Kurzarbeit schicken.
Tatsächlich ist es auch für kleine Firmen ohne Betriebsrat so einfach wie noch nie geworden, Kurzarbeitergeld zu beantragen. Über die Homepage der Bundesagentur ist ein zweiseitiges Antragsformular herunterzuladen, das vom Unternehmen ausgefüllt und dann vom Jobcenter bewilligt werden muss. Vor Ort überprüft wird die wirtschaftliche Notlage der Firma nicht. Bei der angespannten konjunkturellen Situation werden Prüfer der Bundesagentur "nicht in die Betriebe geschickt", sagt die Sprecherin der Bundesagentur. "Im Regelfall wird anhand des Antrags entschieden."
Wird die Arbeitszeit der Beschäftigen dann um etwa 40 Prozent verringert, erhalten sie von der Arbeitsagentur einen Ausgleich für den Verdienstausfall. Dieser Ausgleich beträgt zwischen 60 bis 67 Prozent der Kürzung des Nettoentgeltes. Bislang muss der Arbeitgeber für Kurzarbeitergeld den vollen Sozialversicherungsbeitrag zahlen, mit den neuen Regelungen im Konjunkturpaket II wird aber nur noch der halbe Anteil für ihn fällig. Die Jobcenter gewähren die Leistung bis zu 18 Monate lang.
Für die Beschäftigten bedeutet die subventionierte Arbeitszeitverkürzung weniger Geld, manche Betriebe gleichen dies aus. Bei VW in Niedersachsen erhalten die Kurzarbeiter aufgrund von tarifvertraglichen Regelungen zwar 100 Prozent des Tariflohnes, aber eben keine Schicht- und Feiertagszuschläge mehr, wie Uwe Stoffring, der Sprecher der IG Metall Niedersachsen, erläutert.
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger lobt: "Es ist klug, dass die Regierung auf Kurzarbeit setzt. Denn so kann verhindert werden, dass durch mehr Arbeitslosigkeit die Nachfrage zusätzlich wegbricht".
Die subventionierte Zwangsfreizeit hat für die Politik mehrere Vorteile. Zum einen wird die Kurzarbeit aus dem Topf der Bundesagentur für Arbeit finanziert, der aus den Versicherungsbeiträgen der Beschäftigten gespeist und derzeit gut gefüllt ist. Inzwischen plant die Bundesagentur 2 Milliarden Euro für die Maßnahme ein. Vor allem aber könnte der Anstieg der Arbeitslosigkeit dadurch um einige hunderttausend Leute gebremst werden, was besonders im Wahljahr eine große Rolle spielt.
Wirtschaftsforschungsinstitute sagten ein Plus von 200.000 bis 600.000 Arbeitslosen für 2009 voraus - bei diesen Prognosen vom Ende vergangenen Jahres wurde der Entlastungseffekt der Kurzarbeit aber noch nicht eingerechnet. Die Anträge auf konjunkturell bedingte Kurzarbeit stiegen im Dezember und Januar jeweils um fast 300.000 an.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass am Ende dann auch tatsächlich so viele ArbeitnehmerInnen in Kurzarbeit gehen. So hat die Automobilindustrie, etwa Opel, die Kurzarbeit wieder etwas zurückgefahren, da das Geschäft auch aufgrund der gestiegenen Nachfrage durch die Abwrackprämie besser läuft.
Besonders in der Metallbranche und in der Automobilindustrie beantragten Unternehmen die subventionierte Arbeitszeitverkürzung, so die Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Aber auch in anderen Branchen wird Kurzarbeit häufiger eingesetzt. In Architekturbüros, Laboren und Unternehmensberatungen, die unter Auftragsmangel leiden, melden die Chefs laut Statistik Kurzarbeit an. Selbständige können sich leider nicht auf Kurzarbeit setzen, selbst wenn die Kunden wegbleiben.
Das Image der Maßnahme war nicht immer so gut wie heute. Strukturelle Kurzarbeit galt früher als "Vorstufe für einen Übergang in Nichterwerbstätigkeit", heißt es in einem Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem Jahre 2005. Doch dieses Image wandelt sich. Inwieweit allerdings manche Unternehmer die Kurzarbeit auch zur zwischenzeitlichen Kostensenkung nutzen können, ohne dass tatsächlich
eine wirtschaftliche Notwendigkeit besteht, wird derzeit nicht diskutiert.
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