Kompromiß in Sachen Staatssicherheit: Die DDR überlebt in den Stasi-Akten
■ In Bonn wurde ein Kompromiß über die Stasi-Akten gefunden. Der Sonderbeauftragte in spe, Jochen Gauck, erläutert im taz-Interview die Regelung.
Während in Bonn ein Kompromiß über den Umgang mit den Stasi-Akten im vereinten Deutschland gefunden wurde, artikuliert sich in der DDR der Unmut über den Umgang mit dem Erbe des früheren Staatssicherheitsdienstes immer lauter. In Dresden und Schwerin demonstrierten am Montag abend Hunderte für die Verfügungsgewalt über die Stasi-Akten.
Auch die Auseinandersetzung um Stasi- Verdächtigungen gegen führende Politiker des Landes eskaliert weiter. Nach Angaben des früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden Schröder sind vier der sieben „Problemfälle“ in der SPD-Volkskammerfraktion bisher überprüft worden. Ein namentlich nicht genannter Abgeordneter, der aus einer anderen Partei übergetreten sei, soll Stasi-Mitarbeiter gewesen sein und deshalb die Fraktion sofort verlassen. DDR- Forschungsminister Frank Terpe (SPD) wurde vom Parteichef Wolfgang Thierse empfohlen, nicht wieder für ein Amt zu kandidierern. Terpe soll in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Universitätsdozent von der Stasi behelligt worden sein, ohne jedoch Geld genommen oder Auskünfte zum Schaden Dritter erteilt zu haben. Terpe selbst sprach von einer „schweren Verleumdung“.
Den DDR-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann (CDU/DA) hat Schröder gegen den Verdacht einer früheren Stasi- Mitarbeit in Schutz genommen. Fischer selbst bezeichnete die Stasi-Vorwürfe gegen Eppelmann als absurd. Er bekräftigte jedoch seine Anschuldigungen gegen DDR-Umweltminister Karl-Hermann Steinberg (CDU), ohne jedoch Beweise vorlegen zu wollen. Fischer räumte ein, daß er für die Anschuldigungen keinerlei Legitimation besitze. Er habe sich jedoch entschlossen, die „Bombe“ hochgehen zu lassen, um ein Zeichen zu setzen und Druck auf die Regierung auszüben, damit der in seiner Arbeit von Innenminister Diestel massiv behinderte Stasi-Prüfungsausschuß noch vor der Vereinigung Ergebnisse auf den Tisch lege.
In Dresden gingen etwa 1.000 Menschen für den Verbleib der Stasi-Akten in der DDR auf die Straße. Sie forderten unter anderem die „Privatisierung“ der Dokumente. Bundesdeutsche Behörden sollten keine Möglichkeit erhalten, die bisherige Stasi-Überwachung durch gezielte Beobachtung nahtlos fortsetzen zu können. Die Kundgebungsteilnehmer waren zu ihrer Demonstration von der ehemaligen Dresdner Stasi-Zentrale an der Peripherie der Stadt gestartet. Dort hatten bereits vor Tagen junge Leute ihre Zelte aufgeschlagen und halten seither eine Mahnwache ab. adn/afp
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