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Kommunal-KrimiBørgermeister gibt es nicht

65 Jahre nach Kriegsende ist fraglich, ob ein Däne Flensburger Oberbürgermeister werden kann. Profitiert Schwarz-Grün mit einer Parteilosen?

Neun wollen rein ins Flensburger Rathaus. Wer am Ende die Nase vorn haben wird, ist noch nicht abzusehen. Bild: Michael Staudt

Heinz-Werner Jezewksi schmunzelt hinter seinem Tischchen. Die 500 Menschen im Publikum scheinen ihn nicht nervös zu machen - im Gegensatz zu seinen acht Mitbewerbern. Er hat nur zwei Minuten für seine Antworten, doch er nimmt sich ein paar Sekunden für ein bisschen Blödelei. Wie man die Finanzen sanieren könnte? "Ich schlage eine Antrittsgebühr für jeden Oberbürgermeister-Kandidaten vor." So eine Gebühr würde sich in diesem Jahr lohnen. Acht Männer und eine Frau wollen in der Grenzstadt Oberbürgermeister werden - das sind ungewöhnlich viele Kandidaten. In der Bürgerhalle des Flensburger Rathauses stellen sie sich ein letztes Mal vor der Wahl am Sonntag vor. Wenn nötig, folgt in drei Wochen eine Stichwahl.

Heinz-Werner Jezewski tritt für die Linke an, deren Fraktions-Chef im Kieler Landtag er ist. Auch wenn nicht ganz klar ist, wer als Favorit in die Wahl am Sonntag geht, ist deutlich: Jezewski nicht.

Die politische Lage in Flensburg ist komplizierter als anderswo im Norden, denn hier gibt es eine dänische Minderheit. Sie hat eigene Kindergärten, Sportvereine, Bibliotheken, Schulen, Kirchen - und eine eigene Partei: den Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Der hat in der Stadt an der Grenze zu Dänemark seine Hochburg und ist in der Kommunalpolitik eine Größe. Über viele Jahre schon macht mindestens jeder fünfte Flensburger Wähler seine Kreuze beim SSW.

Die Kandidaten

Der Flensburger Oberbürgermeister ist Chef der Stadtverwaltung mit mehr als 1.200 Mitarbeitern Acht Männer und eine Frau wollen auf diesen Posten:

Thede Boysen (SPD), Verwaltungswissenschaftler

Wolfgang Brommer-Reuß (parteilos), Ingenieur

Simon Faber (SSW), Germanist und Musikwissenschaftler

Elfi Heesch (parteilose Kandidatin von CDU und Grünen), Verwaltungsjuristin

Heinz-Werner Jezewski (Die Linke), Kaufmann

Jörg Klose (Wir in Flensburg), Wirtschaftsjurist

Matthias Nagel (Piratenpartei), Systemadministrator

Kay Richert (FDP), Verwaltungswirt

Ulrich Scholl (parteilos), Diplomkaufmann

Da die SSW-Wähler als besonders zuverlässig gelten, hat der Kandidat der Partei, Simon Faber, gute Chancen, in die Stichwahl zu kommen. Doch auch der kumpelhaft auftretende SPD-Kandidat Thede Boysen ist ein Angebot an die Minderheit: Er ist zwar Friese, vertritt aber die Interessen der vier nationalen Minderheiten in Berlin - also auch die der Dänen. Die SPD hat dem SSW Boysen als gemeinsamen Kandidaten vorgeschlagen, doch da hatte der sich schon auf Faber festgelegt. Auch mit den Linken gab es Vorgespräche. "Die SPD hat dann irgendwann einfach ihren Kandidaten vorgestellt, ohne Rücksprache", sagt der Linke Jezewski. "Wir haben den sofort eingeladen. Und der war für uns nicht wählbar."

Es gilt als wahrscheinlich, dass mindestens einer der beiden Minderheiten-Männer ins Finale kommt. Aber dann? "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Flensburg schon so weit ist, einen SSW-Oberbürgermeister zu wählen", stichelt der SPD-Kandidat Boysen. 90 Jahre Grenzstadt hätten die Menschen geprägt. "Das schlägt sich auch in den Wählermilieus nieder: Es gibt eine große Stammwählerschaft beim SSW, aber auch eine gewisse Distanz bei einem großen Teil der Mehrheitsbevölkerung zum dänischen Milieu", glaubt der Verwaltungswissenschaftler. Doch es gibt auch andere Stimmen in Flensburg. Linken-Kandidat Jezewski sagt: "Däne oder nicht - das ist kein Thema mehr." Das hofft auch SSW-Kandidat Faber.

Manche Probleme der 90.000 Einwohner-Stadt kann man am Rathaus ablesen: "Finger weg von unserer Uni" steht auf dem Plakat auf der einen Seite des 17-stöckigen Rathaus-Turms, auf der anderen "Rettet unser Theater". Beide sind durch das Sparpaket der Landesregierung in Gefahr. Andere Probleme muss man in den Statistiken suchen: Die Arbeitslosenquote ist überdurchschnittlich hoch mit 11,9 Prozent, die Stadt hat 296 Millionen Euro Schulden.

Probleme, die breite Schultern erfordern. Bis 2008 haben die Politik im Flensburger Stadtrat die drei großen Fraktionen von SPD, CDU und SSW gemacht. Immer zwei von ihnen hatten zusammen eine Mehrheit. Trotzdem gab es keine Koalitionen, aber die drei Großen konnten alles untereinander ausmachen. Glaubt man dem amtierenden Oberbürgermeister Klaus Tscheuschner, so waren das die goldenen Zeiten der Stadtpolitik: Der Rat sei "immer bemüht um die Stadt" gewesen und kein Beschluss "parteiideologisch geprägt". Die Kehrseite: Die jeweiligen Wahlergebnisse änderten nicht viel an der Arbeit des Rates.

Im Jahr 2008 wurde alles anders: Bei der Kommunalwahl erreichte die frisch gegründete Wählergemeinschaft "Wir in Flensburg" (WiF) 22,3 Prozent der Stimmen - und war damit stärkste politische Kraft. Mitglieder aus sechs lokalen Bürgerinitiativen hatten die WiF aufgebaut, weil sie sich von Politik und Verwaltung nicht ernst genommen fühlten.

Wie so viele Wählergemeinschaften hat sich die WiF nach dem Wahlerfolg zerstritten - zwei ihrer Ratsmitglieder haben die "Alternative Kommunalpolitik" (Akopo) gegründet. Damit gibt es nun acht Fraktionen. Tscheuschner wirft dem Rat vor, "keine politische Strategie" zu haben. Die Ratsmitglieder würden sich im Klein-Klein verstricken, der Ton sei nur vordergründig freundlich. "Manche aus dem Rat können nicht damit umgehen bei Sachentscheidungen in der Minderheit zu sein - dann erstatten sie Anzeige bei der Staatsanwaltschaft oder rufen die EU-Kommission an", sagt Tscheuschner. Dann denkt er sich manchmal: "Den Papst habt ihr auch noch informiert…"

Tscheuschner hätte noch mal zur Wahl antreten können. Allerdings wollte er von einer Mehrheit aus dem Rat gebeten werden. Und die kam nicht zustande.

CDU und Grüne sind die einzigen Fraktionen, die zusammen eine Kandidatin aufgestellt haben: Elfi Heesch. Die Verwaltungsjuristin sagt, sie wolle jetzt an vorderster Stelle in der Verwaltung gestalten und ihre jahrelange Erfahrung einbringen. "Als Parteilose in Hamburg ist das nach meiner Auffassung nicht möglich." Deshalb habe sie geguckt, wo sie das könne. "Ich bin in keiner Partei und werde auch in keine eintreten, weil ich der Meinung bin, dass Verwaltungsmitarbeiter unbeeinflusst sein müssen von Parteiinteressen."

Ihren Lebenslauf verkauft sie als perfekte Antwort auf Flensburgs Situation: Die Stadt ist verschuldet - sie kommt vom Hamburger Rechnungshof; der Stadtrat ist zerstritten - sie hat eine Mediatorenausbildung; fast jede Ratsfraktion hat ihren eigenen OB-Kandidaten aufgestellt - nur CDU und Grüne haben sich auf Heesch geeinigt. Und Dänin ist sie auch nicht.

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5 Kommentare

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  • H
    Henrik

    Dænen, Friesen, Sinti und Roma und Sorben.

  • PJ
    Peter J.

    Meine Güte, was hackt die taz denn so darauf herum, dass einer der Kandidaten dänischer Südschleswiger ist. Das ist in Flensburg nun wirklich nichts ungewöhnliches. Stattdessen wäre interessant gewesen, etwas mehr über die derzeitigen Probleme, aber auch Chancen von Flensburg zu lesen.

  • N
    Name

    Was für ein merkwürdiger Schlusssatz. Ob Däne oder nicht spielt überhaupt keine Rolle. Der SSW mag zwar die Partei der dänischen Minderheit sein und auch die Interessen der Friesen vertreten, jedoch sind sie für jeden wählbar, der sich mit den politischen Zielen identifizieren kann. Und was die Arbeit des SSW im Landtag angeht, so erscheinen sie häufig als einzig vernünftige Stimme. Was CDU und SPD in den letzten Jahren abgeliefert haben, wäre selbst für eine Bananenrepublik eine Beleidigung, die Grünen sind so wankelmütig, dass man nicht weiß, welchen MP man bekommen würde, würde man sie wählen (diese ewige Flirterei mit der CDU ist unerträglich), die Linken sind ein Hühnerhaufen und über die FDP brauchen wir gar nicht reden. Bleibt also der SSW, bei dem man auch nicht mit allem übereinstimmen muss, aber die bürgernahe Politik spricht eben doch mehr Menschen an, als der Autor denken mag.

  • M
    Max

    Wenn der SSW gewinnt, kann der König von Dänemark Einfluß auf die zerfallenden norddeutschen Provinzen ausüben.

     

    Schleswig-Holstein, vielleicht sogar MeckPom stehen auf dem Spiel.

     

    Meine Forderung: Länderfinanzausgleich aufstocken, damit das dänische Geld nicht die OBerhand gewinnt.

  • O
    OVERSEA

    4 Minderheiten: Daenen, Friesen, wer noch ?