Kommtar Deutsche Bahn: Zugriff auf die Zukunft
Der Vorstand der Deutschen Bahn teilt mit, dass die Vier-Stunden-Verbindung von Berlin nach München spätestesn 2041 steht. Eine leuchtende Zukunft.
W irtschaftspläne gab es nicht nur im Realsozialismus, auch kapitalistische Großbetriebe prunken mit Daten über Entwicklungspläne und - möglichst vorfristige - Planerfüllung. Allerdings steht hier die längerfristige Planung unter dem Druck der Shareholder, die möglichst bald wissen wollen, wann die geplanten Produkte fertig sind, auf den Markt geworfen werden - und daraufhin die Aktienkurse steigen. Angesichts dieser schlechten Aussichten für wahrhaft langfristige Planung ist das jüngste interne Papier des Vorstands der Deutschen Bahn an seinen Aufsichtsrat ein mutiger Schritt. Denn dem Aufsichtsgremium wird hier mitgeteilt, dass die geplante ICE-Strecke von Erfurt durch den Thüringer Wald nach Nürnberg, also das Kernstück der künftigen Nicht-mal-4-Stunden-Verbindung von Berlin nach München, im Jahre 2041 fertiggestellt sein wird. 2041!
Was für ein Selbstbewusstsein, was für ein entschlossener Zugriff auf die unbekannte Zukunft spricht aus diesem internen Planentscheid. Mögen Politiker wie der thüringische Verkehrsminister auf dem Jahr 2017 als spätestem Datum der Fertigstellung bestehen, mag der Bundesverkehrsminister Tiefensee auf bereitgestellte Mittel aus dem Bundeshaushalt verweisen - all dies ist nur das Gezeter der Kurzatmigen, deren absolutes Zeitmaß die jeweilige Legislaturperiode darstellt.
Der Bahnvorstand hat mit dem Zieljahr 2041 ein Zeichen gesetzt, dessen politische Bedeutung weit über den Personen- und Güterverkehr hinausgeht. Vorbei ist die Hoch-Zeit solcher absurder Theorien wie der, dass politische Entscheidungen nur die Zeitdauer einer Generation gültig sein dürften und gegebenenfalls von ebendieser Generation korrigierbar bleiben müssten. Dieses selbstherrliche Limit (30 Jahre = eine Generation) wird durch den Vorstandsbeschluss der Deutschen Bahn zwar nur um vier Jahre überboten, aber das ist immerhin ein Anfang. Und hat sich erst einmal langfristige Planung eingebürgert, so werden wir auch den Halbwertszeiten bei atomaren Endlagern mit gelassener Zukunftsgewissheit gegenüberstehen.
Natürlich fehlt es jetzt nicht an Kleingeistern, die das Gerücht streuen, bei dem Vorstandsbeschluss "2041" handle es sich nur um ein Erpressungsmanöver an die Adresse der Bundesregierung, das da lautet: "Wenn ihr uns finanziell am steifen Arm verhungern lasst, müsst ihr eben Jahrzehnte auf die Strecke warten." Weit gefehlt. Denn die Deutsche Bahn handelt stets nach dem Motto: Die Zukunft leuchtet und sie ist uns stets gewiss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Berlin nimmt Haftbefehl zur Kenntnis und überlegt