Kommmentar Drehbuchautoren-Streik: Dunkles Hollywood
Seit Anfang November streiken die Kreativen der US-amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Recht haben sie! Es geht darum, Standards für das digitale Zeitalter zu setzen.
Adrienne Woltersdorf (40) berichtet seit 2005 für die taz aus Washington. Faszinierend an den USA findet sie, dass sich alle Vorurteile bestätigen lassen - und zugleich widerlegen.
Am Broadway sind seit elf Tagen die Lichter dunkel, weil die Bühnenarbeiter in New York streiken. In Detroit stehen immer mal wieder die Fließbänder still, weil die Arbeiter in der kriselnden US-Autoindustrie darum kämpfen, ihre Krankenversicherungen zu behalten. Und in Hollywood werden seit Anfang November kein neuer Film und keine neue TV-Show mehr produziert, weil die Drehbuchautoren erstmals seit 20 Jahren streiken.
Rund 50 aktuelle Fernsehshows im US-Fernsehen sind einstweilen ausgesetzt, ein Kreativstreik, wie ihn die Entertainmentwelt der USA noch nie erlebt hat. Sind dies Zeichen einer überraschenden Renaissance der amerikanischen Gewerkschaft? Wohl kaum. Die organisierte Arbeiterschaft kämpft aus der Defensive heraus, denn der kapitalistische Zeitgeist nimmt an, dass Rechte von Arbeitern - und neuerdings eben auch Kreativen - ein Relikt der industriellen Steinzeit sind. Daher ist es bitter notwendig, dass sich die Arbeitsbienen der digitalen Ökonomie wehren. Die Industrie ist jung, der Kuchen noch nicht ganz verteilt. Die Gewerkschaft der Drehbuchautoren, die Writers Guild of America, hat vernünftige Ansprüche, denn die wenigsten ihrer rund 12.000 Mitglieder profitieren von den Rekordgewinnen, den die Entertainmentkonzerne mit der neuen DVD-Technologie und Internetvermarktungsoption einfahren.
Mag sein, dass beim Herumexperimentieren mit dem Internet als Einkommensquelle nicht alle Businessmodelle ein Erfolg werden und dass das Überangebot von kostenlosen Downloads eine Kannibalisierung der Anbieter mit sich bringt - doch das kann kein Argument sein, diejenigen, die die Inhalte liefern, außen vor zu halten. Konkret geht es darum, dass der Begriff des Urheberrechts - für den die USA im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) sehr wohl vehement kämpfen - in der Entertainmentindustrie erweitert werden muss. Längst lässt sich nicht mehr - wie in der Schwerindustrie - mit dem Produkt selbst verdienen, sondern mit der Werbung und dem Marketing, die mit ihm einhergehen. Kreative haben recht, wenn sie hier neue Parameter fordern.
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