Kommentar: Dumm, dreist oder beides

Bundeswehr-Tornados über den Protestcamps von Heiligendamm - Die Bundeswehr braucht neue Regeln.

Nicht alles, was zulässig ist, muss man tun. Das gilt auch für die Tornado-Tiefflüge von Heiligendamm. Die Bundeswehr versichert, dass die Flugzeuge unbewaffnet waren und keine Demonstranten identifiziert haben. Stimmt das, kann man die Flüge noch als vom Grundgesetz erlaubte "technische Amtshilfe" einstufen. Es läge also nur politische Dummheit und/oder Dreistigkeit vor.

Wer im Vorfeld eines hoch umstrittenen Staatsereignisses Bundeswehrjets über dessen Kritiker hinwegdonnern lässt, merkt entweder nicht, dass er damit ein provozierendes Symbol setzt - das wäre dumm - oder er setzt es sogar ganz bewusst. Das wäre dreist. Die politische Verantwortung trägt zunächst die rot-schwarze Regierung in Schwerin, die den Einsatz angefordert hat.

Verantwortlich ist aber auch CDU-Verteidigungsminister Jung, der den Nordlichtern den Einsatz nicht ausgeredet hat. Er sollte eigentlich wissen, dass jede Verwendung der Bundeswehr im Innern ein Politikum ist, solange Innenminister Schäuble ständig Grundgesetzänderungen fordert, um bewaffnete Soldaten im Inland einsetzen zu können. Der politische Schaden des Tornado-Einsatzes ist jedenfalls deutlich höher als sein konkreter Nutzen. Wer glaubt, dass für die Geländespiele rund um Heiligendamm tatsächlich Luftaufklärung nötig ist, hätte dafür Polizeihubschrauber einsetzen können. Die haben zwar nicht so gute Kameras, aber erwecken auch nicht gleich den Eindruck eines fliegenden Verfassungsbruchs.

Die Debatte verdeutlicht, dass die Frage nach den Grenzen der "technischen Amtshilfe" dringend transparent geregelt werden muss. Bisher heißt es im Grundgesetz nur, Amtshilfe sei möglich. Eine gesetzliche Definition, was Amtshilfe der Bundeswehr darf und was nicht, fehlt. Man wurstelt sich so durch, und die informellen Kriterien - keine Waffen, keine Grundrechtseingriffe - sind sinnvoll. Nötig ist aber noch ein ausdrückliches Verbot, die Bundeswehr in innenpolitischen Konflikten einzusetzen. Das war schließlich mal der Kern der Idee, den Einsatz der Bundeswehr im Innern stark zu beschränken.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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