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KommentarDefinition nach Kassenlage

Tarik Ahmia
Kommentar von Tarik Ahmia

Klare Standards müssen her, damit staatliche und private Akteure auf dem Müllmarkt im Snne des Gemeinwohls arbeiten.

D ie private Abfallwirtschaft hat sich bei der EU-Kommission über Steuerprivilegien der Kommunen beschwert: 19 Prozent Mehrwertsteuer müssen sie ihren Kunden in Rechnung stellen, von denen kommunale Müllentsorger befreit sind. Das ist für die Privaten ein klarer Wettbewerbsnachteil. Die Kommunen begründen ihn mit der ihnen gesetzlich übertragenen "öffentlichen Daseinsvorsorge".

Tarik Ahmia ist Redakteur im Ressort Wirtschaft & Umwelt.

Der Vorstoß der privaten Müllentsorger berührt eine heikles Thema. Zählt das Wegmachen von Dreck zu den grundgesetzlich verankerten Pflichten des Staates? Zweifel sind angebracht, denn schon heute entsorgen Privatfirmen den größten Teil des deutschen Haushaltsmülls. Ebenso durchsichtig ist aber auch der Vorstoß der privaten Müllentsorger, die nun mit Hilfe der EU den gesamten deutschen Müllmarkt unter ihre Kontrolle bringen wollen. Den Preis dafür bezahlen ihre Angestellten mit Hungerlöhnen und einer schlechten sozialen Absicherung. Die Privatisierung öffentlicher Leistungen ist deshalb kein Allheilmittel, wie die bisherigen Erfahrungen etwa bei den Wasserwerken oder Energieversorgern zeigen. Zu den Gewinnern gehören fast immer nur die Investoren.

Andererseits darf der Staat das Argument "hoheitlicher Aufgaben" nicht dazu missbrauchen, seine Kassenlage aufzubessern: Zunehmend kaufen etwa Kommunen private Müllentsorger auf, stellen diese von der Mehrwertsteuer frei und machen so den privaten Müllfirmen Konkurrenz. Das schadet auf Dauer allen Beteiligten. Es genügt, wenn der Staat nur dort als Akteur auftritt, wo rechtsstaatliche Interessen wirklich berührt werden. Die Müllentsorgung gehört weniger dazu wie etwa Justiz oder Sicherheitsfragen. Für das andere reicht es, den Wettbewerb mit klaren Standards zu kontrollieren. Wenn alle Müllunternehmen nach den gleichen Kriterien für Qualität, Preise und die Entlohnung ihrer Angestellten arbeiten, dann spielt es keine Rolle mehr, wem ein Unternehmen gehört. Das enthebt den Staat aber nicht der Frage, welche Aufgaben nur er allein am besten realisiert. Die Diskussion darüber ist überfällig.

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