Kommentar: Lindbergh in Grün gesucht
Die Flugbranche ist berauscht vom eigenen Wachstum - auf einen verschärften Klimawandel ist sie nicht eingestellt.
W as gibt es Neues am Himmel, fragt man sich bei der Flugshow in Le Bourget bei Paris. Diesmal im Programm: Noch größere Flugzeuge, schnellere Kampfjets, und, ach ja, der Klimawandel. Der stand in diesem Jahr in allen Broschüren. Die großen Flugzeugbauer Airbus und Boeing schlagen grüne Loopings: Vor allem die Triebwerke sollen effizienter werden. Bis 2020 will Airbus die Hälfte des Sprits pro Flug einsparen. Boeing forscht an Kerosin aus Algen. Vor allem müssten die alten Maschinen durch neue ersetzt werden: Ökologie und volle Auftragsbücher sollen Hand in Hand gehen.
Man kann den Ingenieuren bei Boeing und Airbus keinen Vorwurf machen, dass sie wie Ingenieure denken. Aber selbst wenn sie es schaffen, bis 2020 den Kerosinverbrauch pro Kopf zu halbieren - in dieser Zeit wird sich der Flugverkehr verdoppeln. Das Wachstum frisst also jede Effizienzsteigerung. Und auch die Behauptung, der Luftverkehr verursache nur knapp drei Prozent der globalen CO2-Emissionen ist richtig, aber dennoch falsch: Denn durch die anderen Schadstoffe ist die Treibhauswirkung der Flüge deutlich höher.
Man kann auch den Managern keinen Vorwurf machen, dass sie sich über ihre Wachstumsprognosen freuen. Aber kein anderer Sektor richtet bei so geringem Nutzen so große Schäden an. Und auch wenn es die Fluglinien anders sehen: Fliegen ist kein Menschenrecht. Fliegen wird bald viel teurer werden, wenn Subventionen fallen oder die Airlines mit Emissionen handeln müssen.
Die Flugindustrie hat viele Konzepte für ihr Wachstum. Eine Idee für die Zukunft unter Bedingungen des verschärften Klimawandels hat sie nicht. Sie ist nicht auf höhere Preise und schrumpfende Märkte eingestellt. Sie fordert mehr Flughäfen und effizientere Flugsicherheit - was zu mehr Flügen führen wird. Die Fluggesellschaften könnten den Klimaschaden ihrer Flüge im großen Stil ausgleichen, sie könnte im großen Stil in CO2-Vermeidung investieren. Sie könnte das "Nullemissionsflugzeug" voranbringen. Spinnerei? Vor genau achtzig Jahren landete in Le Bourget Charles Lindbergh nach seinem Atlantikflug. Verglichen mit diesem Wagnis ist ein Nulllemissionsflugzeug ziemlich realistisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!