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KommentarGerede von der Spitzenkraft

Kommentar von Ralph Bollmann

Die OECD-Experten fordern nicht nur mehr Zuwanderung von Hochqualifizierten. Die Pariser kritisieren etwas anderes - nämlich, dass die Spitzenkräfte keine adäquaten Stellen finden.

I mmer wenn sich aus Paris die Experten der OECD zu Wort melden, wird es ungemütlich. Erst die Pisa-Studie, jetzt klare Worte zur deutschen Einwanderungspolitik: Stets sind die Studien verbunden mit der Erkenntnis, das Deutschland im Vergleich der Industriestaaten schlecht dasteht - und stets auf Gebieten, auf denen hierzulande keiner ein Problem sah, stets in Fragen, die um Offenheit und Chancengleichheit kreisen. Wie bei der Bildungspolitik reagiert die deutsche Öffentlichkeit auch jetzt in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik wieder mit den gleichen Abschottungsreflexen. Chancengleichheit? Wir haben doch unser vorzügliches Gymnasium! Einwanderung von Fachkräften? Gott bewahre, wir haben doch jetzt schon Millionen Arbeitslose!

Bild: taz

Ralph Bollmann ist Leiter des taz-Ressorts Inland.

Dabei zeigt die genaue Lektüre der OECD-Verlautbarungen: Um die Zuwanderung von "Spitzenkräften", auf die sich die Debatte hierzulande reduziert, geht es im Kern gar nicht - oder zumindest nicht nur. Denn die qualifizierten Zuwanderer, nach denen jetzt laut gerufen wird, sind zum Teil schon im Lande. Sie finden nur keine Stelle, so die Kritik der Pariser Experten, die ihrem Qualifikationsniveau entspricht. Da verwundert es kaum, dass ausländische Hochschulabsolventen kaum die Neigung verspüren, sich ins deutsche Prekariat einzureihen.

Das Gerede von der "Spitzenkraft" wird dem Volk derweil verabreicht, um dessen Ängste vor einer vermuteten Billigkonkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zu dämpfen. In Wahrheit geht es um Fachkräfte auf allen Qualifikationsstufen, nicht zuletzt etwa um jene Pflegekräfte, deren bislang illegale Existenz kaum ein Politiker offiziell eingestehen will. Die Union, die stets laut nach ausländischen Experten ruft, sollte sich also eher zum Mindestlohn durchringen und dann ehrlich benennen, wen sie meint. Offiziell aber gilt auch hier - wie bislang auch im Schulsystem - jene gönnerhafte Attitüde, mit der man sich unliebsame Konkurrenz vom Leibe hält. Um den demografischen Wandel geht es nur am Rande. Wer über Einwanderung redet, redet über Offenheit, Chancengleichheit und damit auch über die Dynamik der Gesellschaft.

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