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KommentarNeue Bindungsfähigkeit

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Dänemark und Deutschland werden voraussichtlich im Jahr 2018 mit einer Brücke verbunden sein. Endlich.

U nsereins wird, um sich einen karg politischen Reim zu machen, von Kapitalinteressen sprechen, denen mal wieder Genüge getan werden musste. Wird reden von Gefahren in ökologischer Hinsicht ("Tankerunglücke", "Zerstörung der Meeresfauna"); kulturkritische Stimmen möchten in den nächsten Tagen weiterhin nörgeln, dass es angesichts der Klimakatastrophe auf Entschleunigung, auf Gemächlichkeit ankomme, nicht auf Tempo und Hast: All diese Bedenkerei ändert nichts an der guten Qualität einer Nachricht, die uns zum Wochenende eben noch erreichte: dass nämlich Schleswig-Holstein an der Insel Fehmarn mit einer Brücke zu Dänemark verbunden werden soll.

taz

Jan Feddersen, 49, ist Autor und Redakteur. Besonders für die Ressorts taz.mag und tazzwei.

Darauf haben sich der Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und sein Kopenhagener Kollege Flemming Hansen geeinigt. Die dürren Fakten: Sieben Jahre, bis 2018, wird der Bau der 20 Kilometer langen Installation dauern, die Kosten belaufen sich auf 5,5 Milliarden Euro.

Die Wahrheit insgesamt lautet wohl: Brücken (und Tunnel) sind toll. Die Golden Gate Bridge, die zwischen Brooklyn und Manhattan, die 2000 eröffnete Öresund-Brücke, die Malmö und Kopenhagen einander nahe brachte - und alle Querungen über Flüsse und Meerengen sowieso. Man möchte nicht kitschig werden, aber Brücken verbinden Provinzen mit den schönen Lichtern der Metropolen und bringen die Urbanisten rascher aufs Land. Dass das beschauliche Fehmarn, ein Megazeltplatz mit Ostseestrand, bald nur noch am Wege liegen bleibt, stört nicht. Wer dorthin will, muss es sich gezielt vornehmen. Kopenhagen und Hamburg liegen nur noch dreieinhalb Stunden entfernt. Schluss ist dann auch mit dem miesen Catering auf den Fähren. Brücken machen Bindungen möglich und tilgen Grenzen. Entschleunigung darf nicht länger Zwang bleiben!

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!

1 Kommentar

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  • AM
    Andreas Müller

    Schneller ist nicht automatisch besser. Das gilt auch ohne Langsamkeits-Nostagie. Für die Fehmarn-Sund - Brücke sind umfangreiche Kosten-Nutzen-Analysen erstellt worden. Da geht es dann neben den Umweltauswirkungen um Kosten und um die Frage wer diese Kosten trägt; und nicht zuletzt geht es um Alternativen und weiter Auswirkungen: Z.B. was geschieht mit der Verbindungen Berlin - Dänemark und berlin Schweden, wenn die jeweiligen Fähre seltener fahren? Einen nicht geringen Anteil an der Fahrzeitverkürzung liegt auf der Zulaufstrecken. Lohnen diese nicht auch ohne Bau der Brücke? Bestehen Verbesserungsmöglichkeiten bei den vorhandenen Fähren? Nicht zuletzt werden die privaten Investoren sich Betriebskosten und Nachfrage ansehen. Man mann den Kanal-Tunnel als Nutzer bejubeln, die Investoren tun das nicht. Gerade weil es noch nicht ausgemacht ist, dass die Brücke sich auch nur betriebswirtschftlich rechnet, hat der deutsch-dänische Vertrag eine Ausstiegsklausel. Beschlossen wurde letztlich nur die Konkretisierung der Planung. Darüber hinaus ist das Projekt so konkret, dass darüber rechtlich gestritten werden kann. Auch der Metro-Rapid wurde mehrfach als endgültig beschlossen gefeiert, bis er mit Nachhilfe der glorreichen NRW-taz zu Grabe getragen wurde. Im übrigen, lieber Jan, wird das Catering auf der Brücke auch nicht besser sein als auf der Fähre.

     

    Andreas Müller