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KommentarBiolehrer, seid wachsam!

Kommentar von Philipp Gessler

Die Kreationisten, Vertreter einer Schöpfung der Welt durch Gott, sind auf dem Vormarsch. Auch CDU-Politikerin Karin Wolff sähe gern die Bibel in der Biologie-Stunde.

D er Kreationismus, das pseudowissenschaftlich aufgepeppte Bibelmärchen einer Schöpfung der Welt durch Gott in sieben Tagen, gewinnt an Boden im öffentlichen Raum und in der Bildung. Das ist in den USA seit Jahrzehnten so, erst seit kurzem nimmt dort der Widerstand dagegen nennenswert zu. Nun ist dieser Kulturkampf, etwas gedämpft, auch in Europa angekommen: Eine hessische Kulturministerin erklärt, mit den Kreationisten zwar "nichts am Hut" zu haben. Aber in einem "modernen Biologieunterricht" sollte die biblische Lehre dann schon Raum eingeräumt bekommen.

Der Vorstoß der CDU-Politikerin Karin Wolff ist zumindest für Deutschland ein Novum: Erstmals ist der Kampf zwischen Darwin und Gott in der weiteren politischen Elite des Landes gelandet. Dazu passt, dass jüngst in Trier ein Wissenschaftler-Kongress über den Einfluss des Kreationismus auf das deutsche Bildungssystem diskutierte und der Europarat einen sehr Kreationismus-kritischen Bericht ihres Bildungsausschusses erst einmal nicht diskutieren wollte. Ist Europas Aufklärung in Gefahr? Wird es hierzulande bald christlich-fundamentalistisch ausgebildete Jugendliche geben, die die biblische Schöpfungslehre wörtlich nehmen und Darwins Evolutionslehre nicht einmal kennen? Droht eine Ende der Säkularisierung auf dem alten Kontinent, sind wir also nun endgültig in der "postsäkularen" Ära angekommen, wie Habermas schon vor Jahren mutmaßte?

Gelassenheit ist angebracht. Nach so viel publizistischer und politischer Prügel, wie Karin Wolff sie für ihren Vorstoß erhielt, dürfte so schnell niemand mehr in der politischen Klasse Kreationisten den Weg bereiten. Dass Religion seit ein paar Jahren wieder sichtbarer im öffentlichen Diskurs Europas wird, bedeutet noch lange nicht, dass sie auch in der Politik an Einfluss gewinnen wird oder gar das Ende der Aufklärung droht. Die Aufklärer in der Gesellschaft aber müssen sich wohl zukünftig etwas mehr anstrengen, um die Köpfe (und Herzen) der Menschen zu gewinnen. Das ist aber nicht tragisch. Aufklärung war und ist ein Prozess, kein Zustand.

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2 Kommentare

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  • ML
    Manfred Leickel

    Daß Religion in der Politik immer mehr Einfluß gewinnt, jedenfalls in Deutschland, ist nur allzu sichtbar. Es gibt praktisch kein Thema, in das sich die Kirchen nicht einmischen, und das durchaus mit Erfolg. Jetzt laufen Bemühungen, die Einflußmöglichkeiten der Moslems zu stärken. Wo bleibt eigentlich ein Zentralrat der nicht religionsgebundenen Menschen, immerhin in weiten Landstrichen die Mehrheit?

     

    Nein, Gelassenheit ist nicht angebracht, sondern ein konsequentes Eintreten für eine strikte Trennung von Staat und jeder Art von Religion. Und wer diese Trennung unterläuft, hat in Staatsämtern nichts, aber auch gar nichts verloren.

  • AM
    Anton Mlynczak

    Inhalt und Ziele des Schulunterrichts sind wieder Teil gesellschaftlicher Auseinandersetzung (Schöpfungsgeschichte - Phillip Gessler). Gut.

    Wie und was geprüft wird, wird ins Visier genommen (Brecht - Kirstin Decker). Sehr gut.

    Es gibt offensichtlich Lehrpersonen, die "Trifft die Intention des Dichters" als dominantes Beurteilungskriterium wählen. Diesen muss der Staat die Prüfungserlaubnis entziehen.

    Es geht um Kenntnisse des Stoffes, dessen neugierige Beobachtung und Rezeption, den selbständigen und nachvollziehbaren Umgang mit dem Lerngegenstand, die Fähigkeit ihn in andere Situationen zu transferieren, Prüfkriterien für "richtig - falsch", "nützlich - unnütz", "ansprechend - abstoßend" zu entwickeln, Handlungen abzuleiten und Schlüsse zu ziehen. In dem Sinne kann das Gilgameschepos (warum eigentlich die Schöpfungsgeschichte) mit Darwins Theorie konfrontiert werden. Das geht aber auch im Deutschunterricht, warum in Bio? Der Herrgott bewahre uns vor den Propheten der ewigen Wahrheiten und einzig richtigen Interpretationen.