Kommentar: Dürftige Beweise für Terror
Die Bundesanwaltschaft verhaftet einen Soziologen, dessen Sprache der der "militante gruppe" ähnelt. Bloße Beschäftigung mit anschlagsrelevanten Themen darf aber nicht kriminalisiert werden.
F ür die Bundesanwaltschaft ist es ein Durchbruch. Endlich hat sie vier mutmaßliche Mitglieder der "militanten gruppe" (mg) verhaften können, die seit Jahren Brandanschläge auf Institutionen und Unternehmen in Berlin und Umgebung verübt. Bundesweit wurde die mg bekannt, als sie von der Bundesanwaltschaft im Mai in ihre Razzien gegen eine konstruierte terroristische Vereinigung von militanten G-8-Gegnern einbezogen wurde.
Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz, mit Sitz in Freiburg.
Verhaftet wurden jetzt drei Männer in Brandenburg - auf frischer Tat, nachdem sie gerade versucht hatten, Bundeswehrlaster anzuzünden. Natürlich handelt es sich hierbei um eine Straftat. Aber die Beweise, dass die drei auch zur mg gehören, sind bislang dürftig. Der Wunsch der Bundesanwaltschaft, endlich einen Schlag gegen die kaum zu greifenden mg-Militanten zu landen, wird für die Zuordnung nicht genügen.
Außerdem ist fraglich, ob Anschläge auf Autos und leere Gebäude tatsächlich das Etikett Terrorismus verdienen. Immerhin war der Strafrechtsparagraf 129 a, der terroristische Vereinigungen definiert, nach langjähriger Kritik unter Rot-Grün etwas entschärft worden. Demnach können nur noch Brandanschläge, die den Staat erheblich gefährden, als Terrorismus bestraft werden. In der Bundesanwaltschaft ist diese Rechtsänderung zwar bekannt, aber unbeliebt, schon weil sie andere Fälle an die örtliche Staatsanwaltschaft abgeben müsste. Bedenklich ist aber vor allem die Verhaftung des vierten Beschuldigten, eines Stadtsoziologen, der in seinen Schriften ähnliche Begriffe benutzte wie die mg in ihren Bekennerschreiben. Außerdem war er mit einem der Brandenburger Brandstifter persönlich bekannt.
Das erinnert stark an die Razzien gegen militante G-8-Gegner, bei denen ebenfalls den Autoren eines Buchs über die Geschichte der Autonomen vorgeworfen wurde, sie hätten für Anti-G-8-Anschläge die Anleitung und Begründung vorgegeben.
Wenn die Bundesanwaltschaft nicht mehr in der Hand hat, als bisher bekannt ist, dann sollte das Verfahren sehr schnell wieder eingestellt werden. Die bloße Beschäftigung mit anschlagsrelevanten Themen darf niemals kriminalisiert werden.
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