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KommentarSehnsucht nach Jubel-Sport

Kommentar von Jutta Heeß

Auch Fußballer dopen - sie werden nur nicht so gründlich kontrolliert wie Radfahrer. Nach der Tour de France gilt es, bei allen Sportlern genauer hinzusehen. Und konsequenter zu reagieren.

S port-Junkies können aufatmen: Die sportfreie Zeit zwischen Tour de France und Bundesliga-Saisonstart ist überstanden. Nun gibt es endlich wieder Fußballteams, die man bejubeln oder beschimpfen kann. Der kritische Blick bleibt dabei meist auf Fragen wie Spielereinkäufe, Trainerentscheidungen und grobe Fouls auf dem Rasen beschränkt. Das Thema Doping scheint im Fußball keine Rolle zu spielen.

Bild: privat

Jutta Heeß, 35, ist taz-Autorin und schreibt regelmäßig über Doping. Leider. Lieber würde sie öfter über die schönen Seiten des Sports berichten, zum Beispiel über Basketball und Turmspringen.

Aber ist dieser Eindruck berechtigt? Selbst wenn die Herren vom Deutschen Fußball-Bund und altgediente Trainer wie Otto Rehhagel das Gegenteil behaupten: Auch im Fußball ist Doping nicht nutzlos. Es gibt keine Sportart - vor allem nicht, wenn sie professionell betrieben wird -, die der Verführung widerstehen könnte, durch unerlaubte Mittel die Leistung zu steigern. Spätestens nach dieser Tour de France sollte das jedem Zuschauer, jedem Fan und auch allen Funktionären klar sein. Und: Auch im Fußball gibt es nachgewiesene Dopingfälle. Dass es verhältnismäßig wenige sind, liegt nicht an der weißen Weste der Kicker. Sondern am grobmaschigen Kontrollnetz.

Vielleicht sollte man den Start der diesjährigen Bundesligasaison deshalb mit etwas weniger Euphorie feiern als in den Jahren zuvor. Womöglich wird sich in Zukunft mancher Fußballfan daran gewöhnen müssen, dass "sein" Sport nicht nur Helden, sondern auch negative Schlagzeilen gebiert.

ARD und ZDF haben vorgemacht, wie man mit dopingverseuchtem Sport umzugehen hat - sie haben die Tour einfach abgeschaltet. Dass beim ersten, zweiten oder dritten Dopingfall in der Bundesliga plötzlich kein Spiel mehr übertragen und statt der "Sportschau" die "Lindenstraße" gesendet wird - dieses Szenario ist zwar höchst unwahrscheinlich. Aber die Sportberichterstattung muss kritischer, hintergründiger, konsequenter werden. So manchen Fans wird das nicht schmecken. Ja, es könnte sogar die Sehnsucht schüren nach dem Jubel-Sport-Entertainment, das man von den Fußballplätzen, aus den Schwimmhallen und den Leichtathletikstadien bislang gewöhnt war. Doch mit diesen Entzugserscheinungen muss man leben. Es gibt im Leistungs- und Profisport kein Zurück zum unschuldigen Blick von einst.

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