Kommentar: Gerichte lösen die Probleme nicht
Es hilft nicht weiter, wenn Eltern ihre Kinder in das Wunschgymnasium einklagen. Warum nicht die Zeit und Energie darauf verwenden, die Situation an der nächstgelegenen Schule zu verbessern?!
Eltern sind derzeit nicht zu beneiden: Eine Bildungsdebatte jagt die nächste, eine Schulreform löst die vorangegangene ab. Die wachsende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt erhöht den Druck, bestmögliche Bildungschancen für die eigenen Kinder zu finden. Die Folge: Familien unterwerfen sich Bewerbungsverfahren schon für vorschulische Einrichtungen. Und um die Plätze an den als gut geltenden Schulen wird dann sogar vor Gericht gekämpft.
Der Leidensdruck, der Eltern so weit treibt, ist verständlich. Wo immer es um Bildung geht, stehen sie am Pranger: Eltern seien hauptverantwortlich für den Bildungserfolg ihrer Kinder, sie müssten sich mehr kümmern, mehr engagieren. Wer das tut, indem er mühsam nach der richtigen Schule für sein Kind sucht, ist zu Recht wütend, wenn er dann erlebt, dass am Ende doch andere für ihn entscheiden.
Noch frustrierender ist das Ganze für die Kinder, die sich schon als Elf- und Zwölfjährige Auswahlverfahren unterziehen müssen, die denen an Universitäten ähneln: mit Aufnahmegesprächen und Arbeitsmappen. Für die, die dann keinen Platz an ihrer Wunschschule bekommen, beginnt die Oberschullaufbahn mit dem entmutigenden Gefühl, versagt zu haben.
Dass immer mehr Eltern angesichts dieser Lage vor Gericht ziehen, ist nachvollziehbar. Schade ist es trotzdem. Denn es ist der falsche Weg, die Probleme tatsächlich zu lösen. Das muss vor allem auf politischer Ebene geschehen. Doch für die zunehmende Segregation an unseren Schulen, die zur Überfüllung der einen und Benachteiligung der anderen führt, sind Eltern mitverantwortlich. Wie schön wäre es, wenn sie, statt jeder für sich um den Schulplatz für ihr Kind zu prozessieren, die dafür aufgewendete Zeit und Energie (und warum nicht auch die Mittel?) an der nächstliegenden Schule investierten! Das würde dort zur Verbesserung der Lage und der Bildungschancen aller Kinder beitragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag