Kommentar: Wenn schon, dann rosa
Die Einheitsuniform für alle Gefangenen im Jugendknast ist zwar kein gutes Mittel, um die Probleme zu lösen, die der Senat damit lösen will. Aber mit einer kleinen Änderung könnte die Idee zur zusätzlichen Abschreckung führen.
Die knapp 500 Insassen im Berliner Jugendgefängnis bekommen eine einheitliche Anstaltskleidung. Von Oktober an sollen sie in ihrer "Freizeit" die gleichen T-Shirts, Jacken und Hosen tragen. "Damit fällt ein Grund weg, dass stärkere Häftlinge Schwächere drangsalieren und von ihnen Geld erpressen", sagte Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). Markenklamotten hätten zu subkulturellen Strukturen geführt, die unterbunden werden sollen. Zudem könne Fluchtversuchen besser begegnet werden, wenn Gefangene von Besuchern klar zu unterscheiden seien. Die Kosten der neuen Kleidung gab die Justizverwaltung mit rund 150.000 Euro an. dpa
Die Einheitskleidung für die Gefangenen im Jugendknast ist kein Modell mit Vorbildcharakter. Denn nicht nur in Plötzensee gibt es subkulturelle Strukturen, die sich über bestimmte Klamotten definieren. Mit der gleichen Begründung ließe sich auch die Einheitskleidung für Schüler einführen. Oder gleich für alle Menschen in Deutschland.
Die zweite Begründung des Senats für das Einheitsoutfit kann auch nicht überzeugen. Denn ein Fluchtversuch mag sich zwar leichter abwenden lassen, wenn man die Häftlinge von den Besuchern besser unterscheiden kann. Aber was tun, wenn auch Besucher in Zukunft in blauen Jeans, bordeauxfarbenen T-Shirts und Jogginghose auftauchen? So ungewöhnlich ist das schließlich auch nicht. Und wenn wirklich ein Häftling versucht, sich als Besucher auszugeben und so - wie es im vergangenen Jahr jemand schaffte - unerkannt zu entkommen: Da darf man nun wirklich von den Wärtern erwarten, dass sie genau genug hinschauen. Andernfalls wird auch die Einheitskleidung diesen Fluchttrick nicht völlig ausschließen können.
Ein echtes Problem ist allerdings das sogenannte Abziehen im Gefängnis: Banden von Gefangenen klauen Schwächeren die Markenklamotten. Einheitskleidung kann das verhindern. Aber es würde auch schon reichen, wenn die Wärter im Knast entsprechenden Hinweisen von Opfern wirklich gezielt nachgehen würden, statt wegzuschauen - so wie es offenbar immer wieder im Umgang mit Beschwerden vorkommt.
Und wenn es schon Einheitskleidung hätte sein müssen, warum dann nicht in Rosa? So macht es Sheriff Joe Arpaio in Arizona vor - und sorgt so zumindest dafür, dass der Abschreckungs-Faktor für einen Gefängnisaufenthalt steigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers