Kommentar: Es fehlt an Vertrauen
Aufgebrachte Migranten bedrängen im Wedding einen Motorradfahrer und die Polizei
Eine Menschenmenge hat am Donnerstag im Wedding Polizisten und einen Unfallfahrer bedrängt. Ein 50-jähriger Motorradfahrer hatte in der Badstraße ein vierjähriges Mädchen und deren 16-jährigen Bruder angefahren, wie die Polizei mitteilte. Das Kind war unvermittelt auf die Fahrbahn gelaufen und ihr Bruder wollte sie aufhalten. Der Motorradfahrer und das Kind kamen mit dem Schrecken davon, der Jugendliche erlitt leichte Verletzungen. Anschließend rannte plötzlich ein am Unfall nicht beteiligter 18-Jähriger auf den 50-Jährigen zu und schlug ihm mehrmals heftig gegen den Helm. Zudem sammelten sich bis zu 50 aufgebrachte und überwiegend jugendliche Schaulustige aus Einwandererfamilien. Als zwei Beamte den 18-Jährigen an der Ecke Buttmannstraße festnahmen und zum Einsatzwagen brachten, wurden sie von der Menge angegangen.
Es ist ein Bild, das längst noch nicht alltäglich ist. Das sich jedoch in den letzten Jahren häuft. Eine aufgebrachte Menge geht gegen die Polizei vor, behindert sie bei einem Einsatz oder wehrt sich gegen ihn. Und die Menge besteht aus Migranten. Neu bei dem Vorfall am Donnerstag im Wedding war vor allem eins: Die Aggression richtete sich nicht nur gegen die Beamten. Hier wurde nach einem Unfall offenbar versucht, Selbstjustiz am vermeintlich Schuldigen zu üben.
Natürlich kann eine solche Eskalation auf keinen Fall akzeptiert werden. Um sie aber in Zukunft zu verhindern, müssten alle Beteiligten verstehen, was genau im Kopf der Beteiligten vor sich geht.
Unübersehbar fehlt es vielen Migranten an Vertrauen in die Polizei. Das hat mehrere Gründe - tatsächlich schlechte Erfahrungen mit den Beamten oder nur ein allgemeines, aber tief sitzendes Fremdheitsgefühl gegenüber einer Mehrheitsgesellschaft, von der sich Migranten nicht akzeptiert fühlen. Unübersehbar aber fehlt es Teilen der Polizei auch immer noch an Verständnis für die Lebenswelt der migrantischen Berliner.
Deshalb müssen sich beide Seiten bewegen. Migrantenverbände sollten für die Erkenntnis werben, dass die Polizei im Konfliktfall ein Partner und nicht der Gegner ist. Und die Polizei muss offensiv zeigen, dass das auch stimmt. Mehr Migranten in Polizeiuniform wären ein deutlicher Schritt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird