■ Kommentar: PDS: Noch am Anfang
Die PDS wird ihre Vergangenheit nicht los. Im Abgeordnetenhaus stellt sich die Fraktion taub gegenüber den Ergebnissen des Ehrenausschusses, und nun gesteht der Landesvorsitzende André Brie ein, für die Stasi gearbeitet zu haben. Pünktlich zum Landesparteitag rückt damit ein Thema in den Mittelpunkt, das die Partei am liebsten verdrängen und nicht wahrnehmen möchte. Viel lieber sieht man sich als eine bereits runderneuerte Partei, mit der Schubkraft des ausgezeichneten Wahlergebnisses der Kommunalwahlen im Mai im Rücken. Doch von Neuanfang und von erarbeiteter Glaubwürdigkeit ist man noch weit entfernt, und auch die Zustimmung der Wähler speist sich eher aus dem Frust der Ostberliner an der freudlosen Wirklichkeit der Vereinigung als aus heißer Begeisterung für die PDS. Doch gerade die von der Nostalgie des verlorenen Elends getragene Zustimmung macht es der Partei schwer, sich klar von der Vergangenheit zu lösen.
Die Schwierigkeiten der PDS ergeben sich aus diesem besonderen Spannungsfeld von Neuanfang und Verharren. Dies hat bislang das Handeln bestimmt. Anfänglich hat man sich rigoros von Stasi-belasteten Mitgliedern getrennt. Das hat sich früh geändert, als deutlich wurde, daß hier die Maßstäbe durcheinandergeraten waren. Zu genau weiß man um die haarfeine Grenzlinie, die unter DDR-Verhältnissen zwischen persönlicher Schuld und tragischer Verstrickung lag. Der Fall Stolpe mit seiner quälenden Abfolge von immer neuen Enthüllungen machte ebenso deutlich, daß die Aktenlage nicht alles sein kann. Hinzu kommt das groteske Mißverhältnis, daß immer noch IMs gejagt werden, aber jene hauptamtlichen Kader, die bespitzeln, verhaften, foltern und verhören ließen, auf freiem Fuß sind. Wie absurd auch, daß ein MfS-Führungskader Roßberg nun als integrer und glaubwürdiger Kronzeuge gelten soll! Aber wissend um die Schuld der Vorgängerpartei und bemüht um neue Glaubwürdigkeit, hat man sich deshalb beim Thema Stasi immer bedeckt gehalten, zugleich aber trotzig festgehalten an den Stasi-belasteten Abgeordneten. Nach der Selbstenttarnung Bries kann die PDS nicht mehr wegtauchen; am kommenden Wochenende wird an den Parteivorsitzenden der gleiche Maßstab angelegt werden müssen wie an seinen Vorgänger Adolphi. Nun muß die PDS die Antworten geben, um die sie sich bislang herumgedrückt hat. Auch wenn es der Partei unangenehm ist: die PDS steht immer noch am Anfang. Gerd Nowakowski
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