■ Kommentar: Pfeffer untern Hintern
An einer kleinen Treppe soll es jetzt liegen. Die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber soll weiterhin nach Hohenschönhausen verlegt werden und nicht, wie der Verein »Pfefferwerk« vorschlug, in den Prenzlauer Berg. Das alte Stasi-Gebäude in Hohenschönhausen, weitab von jeder Verkehrsverbindung, in einem verkrauteten, völlig unübersichtlichen Gebiet, in dem bereits die ersten Drohflugblätter von Rechtsradikalen aufgetaucht sind, hat offenbar einen nicht zu überbietenden Vorteil: Es weist eine Art von Treppen auf, wie sie behördlichen Bauprüfern gefallen. Die beiden Häuser auf dem Pfefferberg hingegen, verkehrstechnisch gut zu erreichen, nach außen hin gut abgeschlossen, in einem ziemlich sicheren Kiez gelegen, kommen deshalb nicht in Frage, weil die eine Treppe feuerpolizeilich als zu eng angesehen wird und die andere von den amtlichen Prüfern übersehen wurde. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf — nämlich ein bißchen mehr Ruhe und Sicherheit für Asylsuchende in diesem sehr viel praktischer und menschlicher anmutenden Standort?
Man könnte sich totlachen über diese tolldreiste Aufführung Berliner Hintertreppenpolitiker und ihrer technokratischen Gehilfen, wenn der Hintergrund nicht so ernst wäre. So ernst, daß sich selbst Landesbischof Martin Kruse genötigt fühlte, dem Senat den »dringenden Rat« zu geben, er möge auf das Alternativangebot des Soziokulturellen Vereins eingehen. Doch was zählt schon ein Kirchenmann, wenn eine christliche Partei an der Macht ist und den Innensenator stellt?
Und was zählt eine sozialdemokratische Partei in der Koalition? Wo ist sie denn schon wieder geblieben? Will sie etwa mithelfen, die Affäre Hohenschönhausen als miesesten Treppenwitz in die Geschichte der Berliner Politik eingehen zu lassen? Oder findet sie gar selber Gefallen an der Rolle des Brandstifters, der sich mit dem Aufsagen feuerpolizeilicher Bestimmungen aufs trefflichste zu tarnen weiß?
Offenbar müssen es, neben dem Bischof und anderen Aktiven, noch viel mehr Menschen werden, die den Herren und Damen Politikern Pfefferwerk unter den Hintern blasen. Ute Scheub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen